„Gegen den kroatischen Faschismus“

■ Jugoslawiens Zentralisten mobilisieren gegen Unabhängigkeitsbefürworter und die „faschistische Gefahr“/ Kroatien wegen „Watergate“ in der Defensive/ Verteidigungsminister untergetaucht

Belgrad/Zagreb (taz/dpa) — Für kommenden Sonntag rufen alle großen Belgrader Parteien in allen Unruhegebieten Jugoslawiens, vom Kosovo bis ins dalmatinische Knin, zu Demonstrationen gegen die „faschistische Gefahr“ auf. An eine friedliche Zukunft des jugoslawischen Vielvölkerstaates glaubt niemand mehr. In einem Schreiben an alle jugoslawischen Soldaten warf das Verteidigungsministerium gestern „dem Westen“ vor, Jugoslawien zerschlagen zu wollen. „Das Eintreten einiger Kreise im Westen für die Demokratie ist oberflächliche Demagogie“, hieß es. „Auch in Jugoslawien ist der Kommunismus noch nicht auf den Knien.“

Gestern trafen sich alle Spitzenpolitiker Jugoslawiens zusammen mit der Armeespitze zu einer zweiten Geheimkonferenz, um die Zukunft des Vielvölkerstaates in einem neuen „Unionsvertrag“ auszuhandeln. Bereits auf dem ersten Treffen am 10. Januar war nur eine Verhärtung der einzelnen Standpunkte als Ergebnis zu verzeichnen gewesen: Slowenien hatte mit der Abspaltung von Jugoslawien gedroht, wenn bis Ende keine Konföderation durchgesetzt wird; Serbien hatte für einen solchen Fall die Schaffung eines großserbischen Staates unter Einschluß aller serbischen Minderheiten in anderen jugoslawischen Republiken angekündigt. Jetzt scheinen Kompromisse zwischen Zentralregierung, Armee und den nach Unabhängigkeit strebenden Republiken in noch weitere Ferne gerückt. Findet sich auf dem Krisengipfel bis zum Sonntag keine Annäherung der Standpunkte, wird die Armee eingreifen, so die einhellige Meinung von Zeitungskommentatoren.

Im sogenannten Jugo-Watergate- Skandal war es am Mittwoch zur Festnahme vier hoher kroatischer Militärs durch die jugoslawische Bundesmilitärspitze gekommen. Die Anklage, auf die gar die Todesstrafe steht, lautet auf „Verschwörung und Vorbereitung eines bewaffneten Aufstandes“. Der Hauptakteur, der kroatische Verteidigungsminister Spegelj, ist mittlerweile entweder untergetaucht oder bereits wie seine Komplizen verhaftet. Darüber fehlen genauere Angaben. Es verhärten sich jedoch die Hinweise, daß Spegelj tatsächlich auf eigene Faust eine militärische Formation aufbauen wollte. Ob zur Provokation, aus Größenwahn oder eigener Machtprofilierung heraus und in welchem Umfang, ist weiter unklar. Der Haftbefehl gegen Spegelj wurde gestern von der kroatischen Führung zurückgewiesen. Die Anschuldigungen gegen ihn entbehrten „jeglicher Grundlage“, hieß es in einer Erklärung des Nationalen Verteidigungsrates Kroatiens.

Die Affäre kommt jedoch allen nach Unabhängigkeit strebenden Republiken, vor allem Kroatien, mehr als ungelegen. Die Armee und die jugoslawische Bundesregierung von Ante Markovic trumpfen auf: Das Beispiel Spegelj zeige, wohin falschverstandene Souveränität führen könne, wenn fanatische Nationalisten „mit Geheimarmeen Probleme lösen wollten“. Vor allem serbische Nationalisten forderten gestern zum „Vorbeugeschlag gegen den kroatischen Faschismus“, der sich in Spegelj und anderen Kroaten verkörpere. Roland Hofwiler