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Grüne Verwandschaft mit Spürpanzer

■ Neue Bürgerschaftsabgeordnete mit engster Bande zu Rüstungsfirma

Beginnen wir mit einer kleinen Rückblende in das Jahr 1975. Der KPD-Kämpfer Martin Thomas beichtet seinen Genossen, daß er Tisch und Bett mit einer Revisionisten teilt. Oder: Der Jung Unionist Paul Tiefenbach wird von seinem Ortsverein beim Knutschen mit einer KBW'lerin erwischt. Unvorstellbar? Unvorstellbar!

Was aber ist das? Die neue grüne Bürgerschaftsabgeordnete Marlies Franzen ist mit Dr. Jochen Franzen verheiratet. Diese zunächst für die Öffentlichkeit durchaus uninteressante Tatsache, ließ die Grünen kürzlich eine Krisensitzung anberaumen. Denn Jochen Franzen ist nicht irgendein Franzen, sondern der Geschäftsführer der Firma Bruker-Franzen. Und deren Ansiedlung bei der Universität wurde von der Grünen 1987 heftigst bekämpft. Der Grund: Bruker-Franzen macht prima Geschäfte mit militärischem Gut. So wurde der Spürpanzer Fuchs von Bruker-Franzen mit Massenspektrometern ausgestattet, mit denen die Konzentration von Giftgas bestimmt werden kann. „Wirtschaftsförderung für Kriegsvorbereitung“ wetterte der damalige Abgeordnete Ralf Fücks. Und haste nicht gesehen, sitzt plötzlich die Ehefrau des derart bekämpften in der Fraktion.

Dabei ist die Wahl des Lebensgefährten der absolut einzige Schlagschatten auf der grünen Weste der Abgeordneten. Marlies Franzen hat sich nämlich als rühriges Beiratsmitglied in Horn und vor allem als Schützerin von Kröten und Singvögeln einen Namen gemacht. Streit mit der Partei gab es denn eigentlich auch nur, als es um die Frage ging, ob es erlaubt sein muß, zum Schutz der Singvögelbrut Elstern abzuballern. Franzen plädierte zum Ensetzen vieler Parteifreunde für die militante Position.

Doch zurück zum Thema. Was also tun, fragten sich die konsternierten Grünen und entschieden: Nichts. „Die Zeiten, da das Private zum Politischen erklärt wurde, sind vorbei“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Martin Thomas. Und natürlich lehnen die Grünen die Produktion solcher Waffen ab, auch wenn so ein Massenspektrometer von der Feuerwehr oder der Polizei nach Chemieunfällen zu gebrauchen sei.

Genau umgekehrt argumetierte dagegen die Abgeordnete Franzen, die aus ihrer Liebe kein politisches Problem machen wollte. Denn schließlich könne Bruker-Franzen nichts dafür, wenn eine grundsätzlich sinnvolle technische Entwicklung nur von der Bundeswehr finanziert werde. Rosi Roland

P.S.: Franzens Entwicklung soll jetzt in Israel eingesetzt werden, um die möglichen Folgen eines möglichen Giftgaseinsatzes des Irak einschätzen zu können. Gute Rüstung, böse Rüstung? So kompliziert ist die Welt.

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