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Das Evangelium des Ted Turner

In zehn Jahren baute der CNN-Boss seine Firma zum Medienimperium aus  ■ Von Henk Raijer

Als Mouth of the South kennen ihn die einen, die seinen offenherzigen Spott über sich selbst, über Juden oder Schwarze schätzen oder fürchten. Als The King of Cable gilt er den anderen, Freunden oder Feinden in der Welt der elektronischen Medien: Ted Turner, Chef der zur Zeit einflußreichsten Konsensfabrik der Vereinigten Staaten, der Cable Network News (CNN). Wer den Sender bisher nicht kannte — weil er nicht verkabelt ist, keine Satellitenantenne besitzt oder kein Englisch spricht —, weiß spätestens seit Beginn des Krieges am Golf, wie der Kampf um die Hegemonie im Medienbusiness ausgegangen ist. Alle mußten sie Bagdad verlassen, als das Ultimatum verstrich. Lediglich einer sonnte sich in Saddams Gunst, Peter Arnett von CNN — nur Allah weiß warum. Keine Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen, ob öffentlich- rechtlich oder privat, die ohne die (von den US-Militärs zensierten) Einspielungen von CNN auskommt; das Monopol ist perfekt, und der Mann hinter dem Imperium, Ted Turner, wird schlafend reicher.

Der dynamische Mittfünfziger ist einer jener unzähligen Bestätigungen des amerikanischen Mythos. Geboren in Ohio und aufgewachsen im Herzen des alten Südens, in Atlanta, Georgia, erbte Turner nach seiner Ausbildung an der Militärakademie die kleine Werbeagentur seines Vaters. 1970 begann er in Atlanta eine kleine Sendestation mit der bescheidenen Reichweite von wenig mehr als einer Meile; nur indem er seinen gesamten privaten Besitz, sogar die Hypothek auf seinem Haus kapitalisierte, konnte er seine Unternehmungen finanzieren. „Ted war immer bereit, alles zu riskieren“, so schwärmen Bewunderer über Turners unternehmerische Fähigkeiten, „er war immer ein Visionär, jemand, der Amerika immer um zehn bis fünfzehn Jahre voraus war“.

Am 1. Juni 1980 ging CNN auf Sendung — mit 24 Stunden Nachrichten am Tag, ein Konzept, das bei alten Hasen im Gewerbe nur ein mitleidiges Lächeln hervorrief. Seine ersten Mitarbeiter rekrutierte Turner aus den Reihen lokaler Fernsehanstalten, ohne Ausnahme alle aus den Südstaaten — was dem Ruf des neuen Konkurrenten auch nicht gerade zugute kam. Doch das neue Konzept überlebte, wenn auch nur durch chronische Unterbezahlung; sogar heute noch, zehn Jahre nach Beginn des Siegeszuges von CNN, gilt als ausgemacht, daß Turners Angestellte im Vergleich zu ihren Kollegen bei den prominenten überregionalen Anstalten ABC, NBC und CBS weitaus schlechter verdienen.

Die Skeptiker von Turners Vision mußten schon nach kurzer Zeit eingestehen, daß sie den Mann aus dem Süden unterschätzt hatten: Innerhalb kürzester Zeit wurde CNN in über hundert Millionen Haushalten in mehr als 120 Ländern der Erde empfangen. Zweiflern wie zum Beispiel den Vietnamesen stellte er vor einigen Monaten sogar höchtspersönlich eine Satellitenschüssel in die Hauptstadt. 1989 verbuchte CNN einen Reingewinn von 134 Millionen Dollar — kleine Fische im Vergleich zu den Erträgen aus Turners anderen Hobbys: Turner Broadcasting Services, vor allem dessen Tochter Turner Network Television, ist da viel lukrativer. Mit den Einkünften aus diesen Unternehmungen kaufte Turner den Hollywood-Giganten MGM — für anderthalb Milliarden Dollar. Die meisten Produktionszweige der altehrwürdigen Traumfabrik wurden zwar wenig später gleich weiterverkauft, doch konnte Turner mit diesem Deal die Rechte an sage und schreibe 3.700 Hollywood-Klassikern erwerben — womit er sein eigenes Angebot reichlich erweiterte.

Medienmagnat Turner ist im Grunde seines Herzens ein Linker und CNN sein Sprachrohr — so sieht er sich selbst und seine Vision am liebsten. Im CNN-Evangelium, das der Chef höchstpersönlich verfaßt hat, sind die journalistischen Prämissen festgehalten. „Unsere Hauptaufgabe besteht darin, wichtige und relevante Nachrichten zu bringen, Sensationsgeschichten, die keinerlei Nachrichtenwert haben, gehören nicht in unsere Sendungen.“ Umweltverschmutzung und Überbevölkerung sind Ted Turners Herzensanliegen, und genau darin sieht er CNNs Mission. „Ich liebe diesen Planeten und alle seine Lebewesen. Ich gelobe, so wenig wie möglich Chemikalien, Pestizide und andere Giftstoffe, zu verwenden. Ich bin gegen die Anwendung von Gewalt, und ich unterstütze die Versuche zur Beseitigung aller nuklearer, biologischer und chemischer Waffen, sowie ich die Vereinten Nationen in ihren Bemühungen unterstütze, den allgemeinen Zustand dieses Planeten zu verbessern.“ Und, pragmatisch wie er ist, untersagte Turner sogleich seinen Angestellten, ihren Kaffee noch länger aus Plastikbechern einzunehmen. Schon vor Jahren hatte er seinen Moderatoren geheißen, während der Sendungen die diskriminierende Bezeichnung alien, fremd, durch international zu ersetzen.

Er ist ein Lebemann, der geborene Südstaatler. Wenn er nicht gerade mit Perez de Cuellar, Jesse Jackson und Bob Geldof Gutes ausheckt oder mit Fidel Castro in die Karibik zum Angeln fährt, bespricht er mit Michael Gorbatschow im vertrauten Tête-à-tête in Moskau den Zustand der Weltpolitik. Was sich dieser Erfolgsmann noch wünscht? Er möchte nur noch einige Kabelanstalten, Hollywoods Filmfabriken sowie die Sender CBS, ABC und NBC kaufen. Und danach? Danach dann zusammen mit Jane Fonda, seiner Zukünftigen, das geräumige Haus am Potomac beziehen, so etwa in zehn Jahren. The King of Cable und die kalifornische Queen of Fitness — das Traumpaar der Zukunft im Weißen Haus. Da könnte nur noch die Vergangenheit der Fonda im Wege sein, die manchen Amerikanern doch allzu politisch war. Aber wenn der Golfkrieg erstmal siegreich beendet sein wird, wer erinnert sich dann noch an Vietnam...

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