: Juden gründen Hilfsorganisation
Konferenz bei Adass Jisroel in Berlin mit scharfen Angriffen gegen Giftgasexporte in den Irak ■ Aus Berlin Anita Kugler
Eine internationale Konferenz von Rabbinern und Vertretern jüdischen Lebens aus Albanien, Bulgarien, Polen, der Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ukraine, Deutschland, den USA und Israel tagt auf Einladung der Ostberliner orthodoxen Gemeinde Adass Jisroel bis Sonntag in Berlin. Ihr Thema: Aufbruch in Osteuropa und die Lage der Juden. Gestern hat die Konferenz die Gründung eines „organisatorischen Zusammenschlusses zur Vertretung jüdischer Interessen“ beschlossen. Die Körperschaft trägt den Namen „Shorashim“ (Wurzeln) und soll die gegenseitige Unterstützung auf religiösem, kulturellem und sozialem Gebiet voranbringen. Ein Verbindungsbüro mit Sitz bei Adass Jisroel wird eingerichtet. Die Vertreter von „Shorashim“ wollen einmal im Jahr zusammentreffen. Das Augenmerk gilt den Juden in der Sowjetunion.
Der Rabbiner von Moskau, A. Schajewitsch, befürchtet, daß von den zwei Millionen noch in der Sowjetunion lebenden Juden über die Hälfte auswandern wollen. Er erhofft sich von einer stärkeren Wiederbelebung des jüdischen Kultur- und Gemeindelebens einen größeren Bleibewillen. Rabbiner Ebner aus Jerusalem und gleichzeitig Rabbiner von Adass Jisroel berichtete, daß trotz des Golfkrieges im Januar 10.000 Juden aus der Sowjetunion in Israel angekommen sind.
Wie die Vertreter von jüdischen Kulturbünden aus Albanien, Bulgarien und der Tschechoslowakei gestern auf einer Pressekonferenz berichteten, gebe es in ihren Ländern noch keine Rabbiner. Jüdisches Leben zu gestalten sei sehr schwierig. Durch den übernationalen Zusammenschluß erhoffen sich die sehr verstreuten und kleinen Gemeinden auch die Möglichkeit, einen Rabbiner ausbilden zu lassen. Bis vor kurzem, berichtete der streng orthodoxe Rabbiner Joskowicz, gab es trotz einiger tausend Juden in Polen noch keinen Rabbiner. Er wäre der erste und sei erst vor kurzem von Jerusalem nach Warschau gezogen. Rabbiner Joskowicz ist polnischer Jude und hat Auschwitz durchlitten. In Polen begann die Auslöschung des Judentums, und deshalb müßten „von Polen aus Impulse für die Wiederbelebung des osteuropäischen Judentums ausgehen“.
In einer Resolution appellierte die Konferenz, Solidarität mit Israel zu zeigen. Das israelische Volk solle die Gewißheit haben, daß es nicht alleine sei und ihm Beistand in jeder Form geleistet werde. Die Konferenzteilnehmer zeigten sich „erschüttert, daß es Deutschland trotz der Nazivergangenheit nicht verhindert hat, daß abermals Juden durch Gas vernichtet werden könnten“. Der Irak sei dank deutscher Rüstungsexporte in der Lage, jenes „mörderische Werk“ fortzusetzen, das Hitler nicht habe vollbringen können.
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