: Furcht vor Eskalation im Südlibanon
■ Angriffe auf die „Sicherheitszone“ und israelische Gegenschläge wechseln sich seit vier Tagen ab
Damaskus/Berlin (adn/taz) — „Ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann“ — so beschrieb die in Beirut erscheinende Tageszeitung 'Al Safir‘ die Lage im Südlibanon. Von dort aus hatten am Freitag morgen Guerillakämpfer zum vierten Mal in drei Tagen Raketen abgefeuert, die in der besetzten „Sicherheitszone“ niedergingen.
Israel hatte in der Nacht seine Angriffe auf Palästinenser-Stellungen im Südlibanon fortgesetzt, nachdem am Vortag die heftigen Artillerieduelle zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern angehalten hatten. Drei Mitglieder eines Kommandos der „Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas“ wurden bei einem Versuch erschossen, nach Israel einzudringen.
Die rund 6.000 palästinensischen Fedayin zwischen Tyros und Saida im Süden des Landes hegen im Golfkrieg Sympathien für Saddam Hussein. Zeid Wehbde, der PLO-Vertreter im Libanon, sprach in diesem Zusammenhang von einer „zweiten Front zur Verteidigung des Iraks“ und kündigte weitere Angriffe an, obwohl das Hauptquartier der PLO in Tunis bestritten hat, dafür grünes Licht gegeben zu haben. Der israelische Koordinator für den Libanon, Lubrani, stellte demgegenüber klar: „Der Südlibanon ist nicht der Westirak. Israel hat nicht die Absicht, dort die gleiche Politik der Zurückhaltung zu praktizieren. Wir werden keine Eröffnung einer zweiten Front im Norden Israels durch die PLO zulassen.“
Die Angriffe auf die Sicherheitszone und die massiven israelischen Vergeltungsschläge haben im Libanon die Befürchtung ausgelöst, Israel könne die Situation dazu nutzen, das besetzte Gebiet im Südlibanon weiter nach Norden auszudehnen. Die libanesische Regierung verfolgt die Eskalation mit Unbehagen; sie befürchtet schwere Rückschläge für die langsam in Gang gekommene, aber noch sehr instabile Aussöhnung nach fünfzehn Jahren Bürgerkrieg. Die „militärischen Katjuschas“ gegen Israel könnten sich sehr schnell als „politische Katjuschas“ gegen den Libanon entpuppen, meinte ein Rundfunkkommentator.
Besondere Komplikationen könnten sich zudem daraus ergeben, daß die israelische Armee wiederholt die vornehmlich von Schiiten bewohnte Region Iklim Al Touffah beschossen hat, die sich nördlich der etwa zehn Kilometer breiten Sicherheitszone anschließt. Dieses Gebiet ist seit Jahren zwischen den beiden schiitischen Milizen Amal und Hizbollah umstritten.
Nach syrisch-iranischen Verhandlungen hatte das libanesische Kabinett vor zwei Wochen die Stationierung der Armee in Iklim Al Touffah beschlossen. Die Soldaten sollen die Milizionäre der prosyrischen Amal und der proiranischen Hizbollah ablösen. Dies könnte nun wieder in Frage gestellt werden. Der geistige Führer der Hizbollah, Scheich Mohammed Hussein Fadlallah, hat bereits Kommandoaktionen gegen Israel und seine Verbündeten angekündigt.
Syrien, unsicherer Kandidat des antiirakischen Bündnisses, ohne dessen Rückendeckung die Regierung in Beirut nichts durchsetzen kann, ist demgegenüber an einer Eskalation im Südlibanon derzeit nicht interessiert. bs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen