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Ermittlung gegen deutsche Offiziere

2.000 italienische Soldaten wurden 1943 bei Leopoli von Deutschen umgebracht  ■ Aus Rom Werner Raith

Eine Ermittlergruppe des Obersten Militärgerichts Italiens ist im polnischen Leopoli auf „eindeutige Zeugenaussagen“ gestoßen, „die bestätigen, daß die deutsche Wehrmacht oder die deutsche SS noch nach Kriegsaustritt italienische Soldaten erschossen hat“. Insgesamt 2.000 Italiener, die bereits auf dem Abmarsch waren, seien seinerzeit zusammengetrieben und vor der Stadt umgebracht worden.

Um die „Affäre Leopoli“ hatte es bereits mehrere große Auseinandersetzungen gegeben. Als die taz als einzige deutsche Zeitung schon im Januar 1987 über die von russischen Dienststellen aufgefundenen Dokumente berichtete, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Der Verdacht von Fälschung, linker Manipulation und Instrumentalisierung der Vergangenheit kam auf. Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ frohlockte 14 Tage nach den taz-Veröffentlichungen: Zwar „beschäftigt man sich in Italien seit zwei Wochen mit der angeblichen Tötung von etwa zweitausend italienischen Soldaten durch ,deutsche Nazis‘ im Herbst 1943“. Doch „vielleicht ist es die komplizierte Wahrheit des Krieges, die viele in Italien von vorschnellen Ressentiments abhält und vorsichtig urteilen läßt; vielleicht dazu die Einsicht, daß alle im Krieg gesündigt haben und es nach mehr als 40 Jahren an der Zeit ist, der damaligen Grausamkeiten mit Maß und Würde zu gedenken“.

Tatsächlich hatten sich damals auch die italienischen Behörden nur ungern auf die Suche nach der Wahrheit gemacht. Der seit Jahren von Angehörigen der Opfer und auch von polnischen Stellen geäußerte Verdacht wurde nach der offiziellen Version des Verteidigungsministeriums „nicht bewiesen“. Erst nachdem der damalige Wehrminister Giovanni Spadolini von der Republikanischen Partei durch Mino Martinazoli vom linkskatholischen Flügel der Christdemokraten ersetzt worden war, kam die Militärgerichtsbarkeit auf Trab. Sie hat nun vor Ort durch Verhöre und Über-Kreuz-Recherchen (etwa über die Fähigkeit, italienische und rumänische Uniformen auseinanderzuhalten, Sprachverständnis etc.) eine „ausreichende Anzahl von Zeugen“ aufgefunden, um „die Tatsache der Massenmorde eindeutig beweisen zu können“. Der nächste Schritt wird laut Militär-Chefanwalt Giuseppe Scandurra die Ermittlung der „seinerzeit in Leopoli kommandierenden deutschen Offiziere“ sein, gegen die dann Anklage erhoben werden soll.

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