: Martin Spegelj ist auch in Kroatien umstritten
Der Verteidigungsminister soll verhaftet werden, doch die kroatische Regierung stellt sich vor ihn/ Dabei ist Spegelj ein undurchsichtiger Wendehals, der sogar in der 'Mladina‘-Affäre 1988 in Slowenien seine Hand im Spiel gehabt haben soll ■ Aus Zagreb Roland Hofwiler
Es ist kaum eine Woche her, daß ein Kompromiß zwischen der Armee und der kroatischen Regierung manche Jugoslawen wieder aufatmen ließ. Der Bürgerkrieg schien erst einmal abgewendet. Doch jetzt steigt die Spannung wieder an. Die Zentralregierung möchte den kroatischen Verteidigungsminister Martin Spegelj verhaften. Die kroatische Regierung will das verhindern. Und weil die kroatische Regierung ihrem Versprechen, die eigenen Milizen zu entwaffnen, nicht nachgekommen ist, droht die Armee erneut, in Kroatien bewaffnet einzugreifen.
Der kroatische Verteidigungsminister Martin Spegelj ist ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. Auf einem heimlich aufgenommenen und über das serbische Fernsehen verbreiteten Videofilm fordert er vor Gefolgsleuten, man müsse in Kroatien aus den „politischen Feinden und der serbischen Minderheit Hackfleisch machen“. Die Dementis der kroatischen Regierung klingen hilflos, alles sei eine Fälschung. Spegelj wörtlich: „Selbst in stalinistischen Zeiten traute man sich nicht, so unverschämte Collagen anzufertigen.“
In anderen Republiken sind die Politiker mit Stellungnahmen vorsichtig geworden. Janez Jansa, slowenischer Verteidigungsminister, gibt nur eine allgemeine Antwort auf die Frage der taz, was er von der Affäre halte: „Sie ist nur der Vorwand, um die Demokratien in Slowenien und Kroatien zu brechen, wenn nicht anders möglich mit militärischer Gewalt.“ Dabei müßte Jansa eigentlich ein persönliches Interesse haben, über Spegelj mehr zu wissen.
Der heute 64jährige in Moskau geschulte Partisan und Ex-Kommunist Spegelj war nämlich bis zu seiner Pensionierung General des 5. jugoslawischen Militärbezirks Zagreb und Ljubljana. Gerade in diesem Militärbezirk kam es 1988 zu einem Skandal. Das Ljubljaner Alternativmagazin 'Mladina‘ enthüllte damals mittels eines zugespielten Geheimdokuments, die Armee plane ein direktes Eingreifen in Slowenien. Der politischen Führung in Zagreb und Belgrad wie auch der des Militärs gingen die demokratischen Experimente in der Nordwestecke des Vielvölkerstaates entschieden zu weit. Zwar konnte das Dokument an der Zensur vorbei veröffentlicht werden, doch mußten sich vier Redakteure der 'Mladina‘ — unter ihnen eben der jetzige slowenische Verteidigungsminister Janez Jansa — wegen „Verrats von Militärgeheimnissen“ vor Gericht verantworten. Nur aufgrund weltweiter Proteste und der Rückendeckung durch den jetzigen slowenischen Präsidenten Kucan kamen die Angeklagten mit etwa einem Jahr Militärhaft davon.
Doch noch immer ist ungeklärt, wer damals der Informant über den anstehenden Putsch war. War es der damals gerade in Pension geschickte Oberkommandant des 5. jugoslawischen Militärbezirkes, Martin Spegelj? Oder war Spegelj auf der Seite der Putschisten? Sicher ist, in seiner Stellung wußte er über alles Bescheid. Diejenigen, die Näheres darüber wissen, schweigen jetzt. Slaven Letica, persönlicher Vertrauter und Berater des kroatischen Präsidenten Tudjman weicht aus: „Die Armee möchte an Spegelj ein Exempel statuieren.“ Vladimir Seks, Vizepräsident der regierenden „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ von Franjo Tudjman, will sich nicht festlegen: „Falls überhaupt etwas Wahres an den Anschuldigungen gegenüber Spegelj dran sein sollte, dann wäre dies Angelegenheit eines Gerichts, aber nicht die der Militärs.“
So denken die meisten Bürger Kroatiens. Nur wenige würden aber für Martin Spegelj die Hand ins Feuer legen, er sei ja schließlich einst ein Repräsentant des alten Regimes gewesen, aber dennoch glaube man nicht, daß er Repressionsmaßnahmen, weder damals in Slowenien noch heute gegenüber nationalen Minderheiten, zugestimmt haben würde. Außerdem habe niemand das Recht, heimlich aufgenommene Gespräche zu veröffentlichen. Ivica Buljan war in den turbulenten Monaten vor der Wende vor zwei Jahren Chefredaktur von 'SL‘, einem kroatischen Alternativmagazin, das wie 'Mladina‘ unzählige Male verboten, eingestampft und zensiert wurde. Er war einer der ersten Journalisten, der Tudjman, Seks und anderen in seiner Zeitung Gelegenheit gab, ihre politischen Positionen öffentlich zu machen. „Kroatien war ja viel stalinistischer geprägt als Slowenien. Während es in Slowenien genug Köpfe gab, die sich unter der KP- Herrschaft nicht kompromitieren ließen, war das in Kroatien ganz anders. Schon von der ersten Stunde an nahm Tudjman in seine Reihen Wendehälse auf, um seine Basis zu verbreitern.“ Dies gebe jedoch niemandem das Recht, die jetzige demokratische Regierung als faschistisch zu beschimpfen, wie die Armee und die serbische Öffentlichkeit dies tun, und deshalb sogar Neuwahlen zu fordern. „Es geht noch um etwas anderes: Wegen der Drohungen ist die offene Atmosphäre in Kroatien geschwunden, alle kroatischen Zeitungen scheinen wie gleichgeschaltet, und Tudjman spielt sich als der große Held und Retter auf.“
Spegelj soll sich mittlerweile nach Slowenien abgesetzt haben. Janez Jansa ist nicht bereit, darüber zu sprechen. „Das ist zweitrangig“, sagt er, „als erstes gilt es, die Macht der Armee und die der Kommunisten einzuschränken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen