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Baden-Württembergs CDU spielt Nebelwerfer

Christdemokraten widersetzen sich einer Durchleuchtung des Spenden- und Geschenkesumpfes um Lothar Späth durch einen Untersuchungsausschuß  ■ Aus Stuttgart Erwin Single

Einen „derart weitreichenden, derart stark den Persönlichkeitsschutz, die Menschenwürde, die Intimsphäre, den einzelnen betreffenden, einen derart pauschalen und verfassungsbedenklichen Antrag“ habe es in der gesamten Bundesrepublik in den letzten 40 Jahren nicht gegeben — der frischgebackene CDU-Fraktionschef Günther Oettinger wollte auch gestern trotz heftiger Oppositionsproteste nicht von seinen Bedenken gegen den parlamentarischen Untersuchungsausschuß abrücken, der den „schwarzen Sumpf“ im „Skandalland“ Baden-Württemberg trockenlegen soll. Bis zuletzt widersetzten sich die alleinregierenden Unionschristen dem Ansinnen von SPD und Grünen, den Ausschuß klären zu lassen, ob Späths Kabinettsmitglieder Zuwendungen der Wirtschaft erhalten und sich dafür mit Gegenleistungen bedankt haben.

Letztlich wurde zwar ein modifizierter Untersuchungsauftrag mit den Oppositionsstimmen gebilligt; die CDU setzte aber durch, daß die ihrer Ansicht nach „unbescholtenen Regierungsmitglieder“ von der Liste der Personen gestrichen werden, die der Ausschuß überprüfen soll. Aus den Reihen der Opposition wurde der CDU vorgeworfen, bekanntgewordene Vorgänge vertuschen zu wollen; den abgeschmetterten Untersuchungsteil werde man notfalls vor dem Staatsgerichtshof durchfechten.

Bereits vor zwei Wochen hatte die CDU in Allianz mit den FDP-Abgeordneten versucht, sich eine unangenehme Fragerei des Ausschusses zu ersparen. Sie wollte lediglich überprüfen lassen, ob durch die Strafverfolgungsbehörden führende CDU- Politiker geschont wurden.

Die Union hätte es wohl lieber gesehen, wenn die Affäre um den über Gunstbezeugungen seiner Geschäftsfreunde gestolperten Landesfürsten Späth nicht noch weitere Kreise zöge. Doch immer neue Vorwürfe erhärten, daß es im wirtschaftlich florierenden Südwesten verdächtig nach Filz und Korruption stinkt. Gegen Späth ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits wegen Verdachts der Vorteilnahme und Untreue. Er soll möglicherweise für „Diensthandlungen“ mit „Gegenleistungen“ bedacht worden sein und muß sich einer anonymen Anzeige zufolge außerdem dem Vorwurf stellen, die Firma SEL mit Mitteln aus dem Landesetat bedacht zu haben. Aber auch der inzwischen zum Bonner Stadthalter degradierte Ex-Justizminister Eyrich ließ sich vom früheren SEL-Chef und Späth-Spezi Lohr einen Fernseher schenken — ausgerechnet von dem Mann, den die Eyrich unterstellten Staatsanwälte wegen Betrugs, Untreue und Steuerhinterziehung vor Gericht zerrten. Und Wirtschaftsminister Schaufler sprang dem fleißig mit Privatjets und Firmenhubschraubern gesponserten Späth zur Seite: „Solche Dinge passieren jeden Tag“, verteidigte Schaufler reichlich naiv die Extratouren seines Chefs; bei dem harten internationalen Wettbewerb könnten sie schließlich nicht „mit dem Rädle kommen“.

Noch mehr heikle Fragen muß sich die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im bevorstehenden Untersuchungsausschuß gefallen lassen. Das öffentliche Ansehen der Anklagebehörde ist durch eine „Kette von Justizskandalen“ (SPD-Fraktionschef Spöri) arg ramponiert. So hatten die eifrigen Ermittler den 90.000 Mark teuren Traumschifftrip Späths in der Ägäis aus dem Lohr-Strafverfahren säuberlich ausgeklammert — angeblich weil der gemeinsame Segelurlaub eine „gewisse Betriebsbezogenheit“ aufwies und sich Lohr damit das „Wohlwollen“ des Regierungschefs erkaufen wollte. Die Opposition, die in der mit „vorauseilendem Gehorsam“ handelnden Justizbehörde (so der grüne Fraktionschef Schlauch) einen willfährigen Büttel der regierenden Union sieht, glaubt dagegen, die Staatsanwälte hätten versucht, Späth aus der Betrugsgeschichte herauszuhalten.

Auch in den Parteispendenverfahren hatten die Ankläger bei Drahtziehern und Profiteuren ein Auge zugedrückt: Obwohl der „Mittäterschaft“ und der uneidlichen Falschaussage im Merkle-Prozeß verdächtig, wurden gegen die CDU-Präsidialen Späth und Schlee kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Lediglich der Ex-CDU-Kassier Neuhaus wurde mit einem billigen Strafbefehl über 31.200 Mark bedacht: 9,777 Millionen Mark hatte der gewiefte Spendenbeschaffer am Fiskus vorbeigeschoben. Fragen lassen müssen sich die Ankläger auch, warum sie die Rolle Späths bei der mühsam vertuschten SÜBA-Affäre nicht genauer unter die Lupe nahmen. Späths Skatkumpel und Geschäftspartner, SÜBA-Chef Schlampp, hatte das Land um einen 10-Millionen-Kredit erleichtert, den Späth befürwortet hatte. Und warum sollte das Ermittlungsverfahren gegen Mercedes- Chef Niefer, ebenfalls ein Späth- Freund, eilends eingestellt werden, der in Italien eine Touristin mit einem von ihm gesteuerten Reisebus gegen eine Mauer gequetscht hatte? Die Liste der Mauscheleivorwürfe an die Adresse der Staatsanwaltschaft ist lang: da würden Haftbefehle nicht vollzogen, prozeßrelevante Tatbestände beiseite gelassen, Staatsanwälte versetzt und Verfahren durch Strafbefehle erledigt, so der Anwalt und grüne Fraktionschef Schlauch.

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