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Schöner leben: Nach dem Ausschlag

■ Politische Kultur: Ein wahres Delirium

Peter Bogdanovich gehörte mal zu den gefeierten Wunderkindern Hollywoods. Im Gegensatz zu Scorsese, Coppola oder Spielberg schien er aber nach drei oder vier guten Filmen sein Talent aufgebraucht zu haben. Danach wurde er einer der beständigsten Flopmacher des US-Kinos. Jetzt kann man im Bremer Atlantis- Kino kurz nacheinander sehen, aus welcher Höhe der Regisseur stürzte und in welchen Tiefen er sich nun bewegt. Zwanzig Jahre nach seinem zweiten und unbestritten besten Film The Last Picture Show (“Die letzte Vorstellung“) drehte er mit den gleichen Hauptdarstellern und in dem selben kleinen Ort in Texas eine Fortsetzung: Texasville.

1951 wird in dem öden Provinzstädtchen Anarene das letzte Kino geschlossen. Um diese Last Picture Show herum erzählt der Film in ruhigen Schwarzweiß- Bildern von einer Gruppe Jugendlicher, die ihre ersten Erfahrungen mit der Sexualität machen und der Langeweile des Ortes entrinnen wollen. Bogdanovich mag seine Filmfiguren, und es ist ihm wichtig, von ihnen zu erzählen. Deshalb stimmt alles an diesem Film: der wehmütige Sonny, der Draufgänger Duane und die eisige Blondine Jacy sind noch genauso frisch und lebendig wie vor zwanzig Jahren.

Zwei der Schauspieler, Cybill Shepherd und Jeff Bridges, sind seither Stars geworden, und damit fangen die Probleme bei der Fortsetzung Texasville schon an. Denn hier sind nur noch die Star- Rollen wichtig. Mit mathematischer Präzision entsprechen Zahl der Nahaufnahmen und Länge der Auftritte jeweils dem Bekanntheitsgrad der Schauspieler. Timothy Bottoms zum Beispiel hat keine große Karriere gemacht: Sein Sonny ist jetzt nur noch eine exotische Nebenfigur.

Für ein paar Minuten ist es noch spannend zu sehen, wie sich die Gesichter in den zwanzig Jahren verändert haben. Über die Entwicklung des Regisseurs aber kann man nur schwermütig werden. Er ist eigentlich gar nicht mehr da! Es gibt in Texasville nicht eine Einstellung, die Bogdanovichs Handschrift trägt. Dutzende in Hollywood hätten einen ähnlichen Film drehen können, die meisten sicher besser.

Texasville wirkt wie ein Pilotfilm für eine neue TV Soap- opera: Duane ist reich geworden und hat eine große Familie. Alle fahren deutsche Autos und unterhalten sich ständig darüber, wer wen geschwängert hat oder ob die Ölpreise noch weiter gefallen sind. Höhepunkte sind Bridges und Shepard als Adam und Eva in einem Laienschauspiel und eine Schlacht mit Hunderten von Hühnereiern.

Texasville zeigt den Überdruß des heutigen Amerika. Oder den Bogdanovich's. So lieblos, wie der Film heruntergedreht ist. Wilfried Hippen

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