Alliiertes Recht im Emder Hafen

Um den reibungslosen Nachschub für den Golfkrieg zu sichern, haben die Alliierten in einem Teil des Hafens das Kommando übernommen/ Übliche Sicherheitsvorschriften wurden außer Kraft gesetzt  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Ein militärischer Sicherheitsbereich, in dem die alliierten Truppen der USA und Großbritanniens die Hoheitsrechte ausüben, ist jetzt wegen des Golfkrieges im Emder Hafen installiert worden. Auf Anweisung des Bonner Verteidigungsministeriums mußte das Land Niedersachsen in der vergangenen Woche auf alle Hoheitsrechte über den Süd-Kai des Emder Hafens verzichten, über den der Nachschub für die alliierten Truppen im Golf verschifft wird. Wie das Wirtschaftministerium in Hannover gestern bestätigte, ist damit sowohl die Polizeigewalt in dem Sicherheitsbereich als auch die Verantwortlichkeit für die Sicherheit des Hafenumschlages auf die Militärs übergegangen.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte gestern, daß in dem militärischen Sicherheitsbereich von „alliierten Truppen“ die Hoheitsrechte ausgeübt werden. Für die Absperrung des Sicherheitsbereichs und seiner Absicherung nach außen würden Bundeswehrsoldaten eingesetzt — insoweit führe dort der Bund eine hoheitliche Tätigkeit durch, sagte der Sprecher, Fregattenkapitän Walter Reichenmiller. Den Umschlag der Muniton, die in Emden verschifft wird, führten die alliierten Truppen jedoch in eigener Verantwortung durch. Sie „sind auch für die physische Sicherheit beim Munitionsumschlag verantwortlich“.

Auf die Frage, ob mit diesen „alliierten Truppen“, die Alliierten des Golfkrieges oder die des Zweiten Weltkrieges gemeint sind, wollte sich Reichenmiller nicht festlegen. Die Bundesrepublik unterstütze in Emdem ihre Verbündeten bei der Umsetzung der UNO-Resolution gegen den Irak. Eine Rechtsgrundlage für die Übertragung der Hoheitsrechte konnte der Sprecher gestern aber nicht nennen.

Vom Land Niedersachsen sind diese Hoheitsrechte über den Südteil des Hafens Emden an den Bund auf der Grundlage des Gesetzes über die „Anwendung unmittelbaren Zwanges“ abgetreten worden. Danach dürfe das Verteidigungsministerium Örtlichkeiten vorübergehend sperren, wenn dies „aus Gründen der militärischen Sicherheit zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben der Bundeswehr“ unerläßlich sei, teilte das Wirtschaftsministerium in Hannover mit.

Aus einem Erlaß des Wirtschaftsministeriums an das Emdener Hafenamt vom 4. Februar geht allerdings auch hervor, daß nicht die Bundeswehr, sondern die Truppen der USA und Großbritanniens die Hoheit über den Munitionsumschlag im Emder Hafen haben. Diese Streitkräfte „sind für die Festlegung des erforderlichen Sicherheitsbereichs verantwortlich“, heißt es in dem Erlaß, der gleichzeitig andere „Auflagen hinsichtlich des Munitionsumschlages“ außer Kraft setzt.

Nach niedersächsischen Bestimmungen, so bestätigte gestern das Wirtschaftsministerium, sei beim Umschlag von Munition eigentlich ein Sicherheitsabstand von 1.000 Metern zu Wohngebieten vorgeschrieben. Nach Angaben des Hafenamtes verladen die Alliierten aber ihre Munition für den Golfkrieg ohne daß die zahlreichen Wohnhäuser im 1000-Meter-Umkreis evakuiert wurden. Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder und der grüne Bundesratsminister Trittin, beide entschiedene Golkriegsgegner und zusammen zur Zeit auf Moskaureise, sollen erst gestern über das Sperrgebiet im Hafen informiert worden sein.