Studentendorf soll geräumt werden

■ Mietverträge im Studentendorf Schlachtensee erst nach heftigem Protest verlängert/ Streit um Instandsetzung oder Abriß entflammt erneut/ Bei Räumung 1.400 Studenten ohne Wohnraum

Zehlendorf. Die Studenten in Schlachtensee sind sauer. Wie jedes Jahr trabten sie in die Behördenstuben, um ihre im März auslaufenden Mietverträge für ihre Wohnheimbuden verlängern zu lassen. Doch diesmal verweigerte das Studentenwerk die Unterschriften. »Ohne Angabe von Gründen«, schimpft der Medizinstudent Wolfgang Hake, der gerade im Physikum ist und sich während der Prüfungen nach einer neuen Bude hätte umsehen müssen. Klammheimlich hätte man auf diese Weise versucht, die ersten 400 Wohnungen im Studentendorf Schlachtensee leerzuräumen.

Abteilungsleiter Kittel im Studentenwerk dagegen hält das Nichtverlängern und den faktischen Rausschmiß für normal. Die Wohnungen seien nur übergangsweise vergeben worden. Das hätte auch jeder Student gewußt. Es handele sich nämlich um den »alten Zielkonflikt«, daß man zu Semesterbeginn Wohnungen leer haben möchte, um den Neuankömmlingen wenigstens eine minimale Chance zu geben.

Dahinter steckt aber noch ein anderes Problem. Schon seit vier Jahren werden nur noch auf ein Jahr befristete Verträge abgeschlossen. Das 1959 von dem Amerikanern gestiftete Studentendorf Schlachtensee ist seit Jahren renovierungsbedürftig. Dafür ist aber kein Geld da, denn die Mittel, so Kittel, seien auf 20.000 Mark zusammengestrichen. Das reiche gerademal für das Auswechseln der Glühbirnen. Unter dem alten CDU-Senat wurde das Studentendorf für den geplanten Abriß schon einmal komplett geräumt, bis der rot- grüne Senat diese Pläne stoppte. Jetzt unter der großen Koalition entzündet sich der Streit um die Zukunft der Wohnheime erneut. Die einen fordern eine Grundinstandsetzung, die anderen den Abriß und Neuaufbau des Studentendorfes. Die damals erstellten Gutachten bestätigten, daß die Kosten für die erste Variante weitaus höher liegen. Geräumt werden müßte bei Bauarbeiten so oder so, meint Kittel, da in den Fassaden asbesthaltige Stoffe verwandt wurden.

Auch wenn ein Baubeginn frühestens 1992 möglich ist, muß mit der Räumung jetzt begonnen werden. Das bedeutet, daß sich 1.400 Studenten auf die Suche nach einer anderen Bleibe machen müssen. Allein auf der Warteliste des Studentenwerkes stehen 4.000 Suchende, in der ganzen Stadt sind es weitaus mehr. Angesichts dessen scheint der Beschluß aus den Koalitionsvereinbarungen, 3.000 Plätze neu zu schaffen, recht kläglich. Das ist gerade die Hälfte dessen, was unter dem rot-grünen Senat geplant war. Nur ein paar hundert neue Wohnheimplätze konnte die damalige Wissenschaftssenatorin Riedmüller am Ende ihrer Amtszeit bilanzieren.

Nur weil der Ratsvorstand vom Studentendorf Schlachtensee sofort beim Vorsitzenden des Studentenwerkes auf der Matte stand, wurden die Mietverträge bis September vorläufig verlängert. Das Problem, meint der Medizinstudent, sei damit aber nur aufgeschoben. anbau