: Lindemann-Besetzer sollen zahlen
■ Hausbesitzerin will „moderate“ 14.582 Mark / Jugendliche wehren sich
Die Besetzung des Lesumer „Lindemann-Hauses“ soll jetzt einige der jugendlichen Besetzer teuer zu stehen kommen, zumindest, wenn es nach dem Vegesacker Rechtsanwalt Uwe Voigt geht. Voigt vertritt die Inhaberin des Hauses, die Oldenburger „BK- Bau und Koordinierungsgesllschaft“. In einem Brief präsentierte der Anwalt Anfang Januar den Jugendlichen, die „nach polizeilichen Feststellungen“ angeblich zu den HausbesetzerInnen gehörten, die Rechnung: Genau 14.582,85 Mark sollen die Angeschriebenen, meistens Studenten oder Arbeitslose, berappen. Dazu kommen 10,75 Prozent Zinsen.
Die Jugendlichen sollen bis 30. Januar ein sogenanntes „Schuldanerkenntnis nebst Vollstreckungsunterwerfung“ unterschreiben, damit sie „gesamtschuldnerisch“ für die Kosten aufkommen. Um an das Geld zu kommen, kann Voigt jederzeit per Gerichtsvollzieher einen Teil des Einkommens (auch BAföG und Arbeitslosengeld) pfänden lassen.
Die Jugendlichen glaubten, ihren Augen nicht zu trauen, zumal sie Rechtsanwalt Voigt aus den Tagen der Hausbesetzung moderater in Erinnerung hatten. „Schweinerei und Frechheit“ waren denn auch die ersten Reaktionen. Also schalteten die Betroffenen ihrerseits einen Anwalt, Hans-Eberhardt Schulz, ein. Schulz bezweifelt in einem Brief an Voigt erstmal, ob die Jugendlichen sich überhaupt des Hausfriedensbruches schuldig gemacht hätten.
Dubios ist für Rechtsanwalt Schulz die Sache auch deshalb, weil das „Lindemann-Haus“ geräumt wurde, damit noch im August mit dem Abriß und dem Bau von Eigentumswohnungen begonnen werden sollte. Schulz: „Das Ding steht jetzt noch.“ BK- Bau-Chef Behrens: „Es gibt eine Absprache mit dem Bauamt Bremen-Nord, erst abzureißen, wenn alle Wohnungen verkauft sind.“ Dies geschehe wohl in der ersten Maihälfte.
Inwieweit die Jugendlichen letztendlich zur Kasse gebeten werden ist noch nicht sicher. Denn: Voigt hat zwar 19 Betroffene angeschrieben. Aber: Die ist nicht ganz wasserdicht. Zum Beispiel befand sich einer der Jugendlichen, deren Personalien angebelich festgestellt hätte, zum Zeitpunkt der Räumung in den USA. Und: Er war letzten Sommer noch minderjährig. Außerdem sind nach Information der ehemaligen BesetzerInnen die Zwangräumungsbescheide nie zugestellt worden.
Voigt indes kann dem durchaus eine positive Seite abgewinnen: „Dadurch, das die Damen und Herren Besetzer einen Anwalt eingeschaltet haben, wissen wir wenigstens, an wen wir uns wenden müssen. Und wenn jemand in der Liste auftaucht, der nicht im Haus war, ist das ein Versehen von uns.“ Die bisher gefahrene „moderate Linie“ wolle man auch in Zukunft weiterfahren.
Daran jedoch können wohl weder die Jugendlichen noch der Bremen-Norder SPD-Vorsitzende Detmar Leo glauben. Leo erinnert sich, daß Voigt keine weiteren rechtlichen Schritte unternehmen wollte, wenn die Jugendlichen freiwillig das Haus verlassen. Leo: „Was jetzt passiert ist unlauter und Heuchelei.“ Ulf Buschmann
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