Das Diplomatenkarussell dreht sich

■ Saudische Zweifel an Washingtons Adresse: „Zerstörung des Iraks statt Befreiung Kuwaits?“/ Außenminister Dumas zu Besuch in Moskau/ Hammadi für Verhandlungen unter Ausschluß der USA

Dhahran (dpa) — Vier Wochen nach Beginn des Golfkrieges werden auch bei arabischen Verbündeten der USA erste Zweifel laut: Hat Washington andere Pläne als nur die Befreiung Kuwaits? Neueste Signale von Präsident Bush, zunächst weiter ausschließlich auf massive Bombardierungen des Iraks zu setzen, lassen die Furcht vor einer völligen Zerschlagung des Iraks wachsen.

„Die arabischen Länder (der Anti-Irak-Koalition) fragen sich jetzt, was eigentlich vorgeht“, kommentierten gut informierte Saudis, die anonym bleiben möchten, am Dienstag Hinweise aus Washington, einen Landangriff auf Kuwait möglicherweise um Wochen hinauszuschieben. Offiziell reagierten weder Riad noch andere Golfstaaten auf die neueste Entwicklung. Aber hinter vorgehaltener Hand wird kein Hehl aus dem Mißfallen gemacht. „Viele Menschen meinen jetzt, das ist eher die Zerstörung des Iraks als die Befreiung Kuwaits — und das zum Vorteil Israels. Saudi-Arabien will aber keine völlige Zerschlagung des Iraks.“

Mit Sorge wird auch auf die Demonstrationen von Marokko bis Jordanien hingewiesen, wo bereits Hundertausende für Saddam auf die Straße gehen. „Für den einfachen Mann handelt es sich um einen Krieg einer Supermacht gegen ein kleineres, arabisches Land.“

Immer häufiger äußern Saudis die alte Furcht, die Amerikaner könnten auch nach Ende des Krieges im Land bleiben wollen. Vorschläge aus Washington für „Sicherheitsstrukturen“ und einen wirtschaftlichen Wiederaufbauplan für Bagdad lösen in Riad auch Skepsis aus. Mit Blick auf die Rolle der USA im Nachkriegseuropa meint ein gut informierter Beobachter: „Erst zerstören sie, dann bauen sie wieder auf: das ist die amerikanische Art.“

Bagdad/Dhahran/Riad (afp/ap/ dpa) — Der Nahost-Sonderbotschafter des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, Primakow, ist gestern im Irak eingetroffen. Primakow ist der erste Vertreter eines Mitgliedsstaates des UN-Sicherheitsrates, der sich seit Kriegsbeginn in den Irak begibt.

Bei einem Zwischenstopp im Iran hatte Primakow im Gespräch mit dem stellvertretenden iranischen Außenminister Maleki die Teheraner Vermittlungsinitiative begrüßt. „Wir wollen, daß unsere diplomatischen Bemühungen mit den iranischen Anstrengungen konform gehen und koordiniert werden“, zitierte die iranische Nachrichtenagentur 'Irna‘ Primakow. Er habe eine — „von einigen Parteien vorgeschlagene“ — Teilung des Irak als unvereinbar mit den Prinzipien der sowjetischen Außenpolitik bezeichnet. Unterdessen betonte der türkische Außenminister und sein syrischer Amtskollege bei einem Treffen in Damaskus erneut, daß sie keinerlei Gebietsansprüche an den Irak hätten.

Gestern traf der französische Außenminister Dumas in Moskau ein, um mit seinem sowjetischen Amtskollegen Bessmertnych die Entwicklung im Golfkrieg zu erörtern. Paris und Moskau hatten in den vergangenen Wochen weitgehend dieselbe Haltung bezüglich der Notwendigkeit einer internationalen Nahostkonferenz vertreten und Diplomaten nach Teheran entsandt, um sich über die iranischen Friedensinitiativen zu informieren.

Der irakische stellvertretende Ministerpräsident Hammadi wiederholte vorgestern in Tunis den Vorschlag seines Landes, die Kuwait- Frage unter Ausschluß der USA am Verhandlungstisch zu lösen. Die Golfkrise könne im arabischen Rahmen geregelt werden, sobald die USA ihre „Aggression“ gegen den Irak beendet hätten.

PLO-Chef Arafat ist unterdessen mit König Hussein von Jordanien in Amman zusammengetroffen. Ein PLO-Vertreter sagte, Arafat wolle ein Treffen international bekannter Politiker, darunter Brandt, Bhutto und Gandhi, in Amman organisieren, auf dem ein Waffenstillstand gefordert werden soll.

Dhahran/Jerusalem (afp) — Nach irakischen Rundfunkangaben haben die multinationalen Streitkräfte in der Nacht zum Dienstag 96 Luftangriffe auf den „südlichen Operationssektor“ geflogen. Nach Berichten aus Washington wirft die amerikanische Luftwaffe zur Zeit in Vorbereitung des Bodenkriegs über Kuwait gewaltige Bomben ab, mit denen die zahlreichen Bodenminen zur Explosion gebracht werden sollen. Ziel der Aktion sei es einerseits, einen Weg für die Panzerverbände der Alliierten freizuräumen, andererseits solle irakischen Soldaten eine Fluchtmöglichkeit geschaffen werden.

Israel ist in wenigen Stunden zweimal vom Irak mit Scud-Raketen mit konventionellen Sprengköpfen beschossen worden. In der Nacht zum Dienstag schlug eine aus dem Westen Iraks abgefeuerte Rakete in einem Wohngebiet in Zentral-Israels ein. Nach Angaben eines Radiosenders wurden mindestens sechs Menschen verletzt.