Konfikt gescheut

■ Keine Klage gegen Hafen-Beschlagnahme

Das Land Niedersachsen hat die Hoheitsrechte über Teile des Emder Hafens an die Bonner Hardthöhe abtreten müssen. Grund: Der Umschlag von Kriegsmaterial für die alliierten Truppen am Golf. Dennoch hat das Kabinett am Dienstag auf eine Klage gegen den Bund verzichtet. Ein Stopp des Munitionsumschlags hätte den Golfkrieg natürlich nicht beendet. Trotzdem hat die rot-grüne Landesregierung in Hannover eine Chance verpaßt. Die Frage, ob das Vorgehen des Bundesverteidigungsministeriums am Emder Südkai rechtmäßig ist, reicht nämlich weit über den aktuellen Anlaß Golfkrieg hinaus.

Konkret geht es darum, was das Militär in Friedenszeiten — und juristisch haben wir die hierzulande immer noch — eigentlich darf. Das als Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme von Teilen des Hafens herangezogene „Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen“ ist noch nie einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen worden. Dies wäre jedoch umso mehr angezeigt, als es die weitreichendste Ermächtigungsgrundlage außerhalb der Notstandsgesetze darstellt, ein — wie im Falle Emdens — reines Willkürinstrument der Militärs. Der Bundeswehr bleibt es nach dem Wortlaut des Gesetzestextes nahezu freigestellt, wann sie sich durch die Errichtung militärischer Sperrgebiete rechtsfreie Räume schafft.

Die Klagevoraussetzungen wie sie die niedersächsische Landesregierung vorgefunden hat, kommen so schnell nicht wieder: Schon in der ersten Instanz hätte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fall auseinandersetzen müssen, danach wäre bereits der Gang nach Karlsruhe möglich gewesen. Dabei hätten die Richter sich überdies der hochspannenden Frage widmen müssen, inwieweit der Krieg am Golf noch mit der UN-Resolution 678 in Einklang zu bringen ist. Längst geht es nicht mehr nur um die Befreiung Kuwaits, sondern um die völlige Zerschlagung des militärischen Potentials des Irak — weshalb UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar in einem „Le monde“-Interview betont, dies sei „kein Krieg der UNO“.

Ein Verfassungsstreit, ausgelöst durch eine rot-grüne Klage, hätte die politische Diskussion an diesem Punkt weiter anschieben können. In Erwartung einer durchaus möglichen juristischen Niederlage, hat das Kabinett diesen produktiven Konflikt gescheut. Michel Golibrzuch

Der Autor ist Mitarbeiter der grünen Landtagsabgeordneten Andrea Hoops