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Erfolge beim Bomben?

Offizielle „Erfolge“ der alliierten Bombenangriffe dienen vor allem der Manipulation der Öffentlichkeit  ■ Aus Washington A. Zumach

Für Generalleutnant Thomas Kelly war der Dienstag „a healthy day of bombing“. Frohgemut, als ginge es um die Footballergebnisse oder den Hautgewinn im Lotto, verkündete der Pentagon-Sprecher die Bilanz der „alliierten Kampagne“ am 27.Kriegstag: über 65.000 Luftangriffe seit dem 16. Januar, 800 von 4.200 irakischen Tankern zerstört, ebenso 600 der 2.200 Artilleriegeschütze des Gegners sowie 200 seiner gehärteten unterirdischen Bunker. Von den 600 Kampfflugzeugen Saddam Husseins seien 39 am Boden oder in der Luft abgeschossen worden und 142 befänden sich im Iran. „Damit ist fast ein Drittel der irakischen Luftwaffe außer Gefecht gesetzt.“ Insgesamt sei das irakische Militärpotential damit jetzt zu gut 20 Prozent zerstört. An dieser Stelle kommt Bewegung in die dösende Journalistenschar. Hatte Kellys Kollege die Gesamtzahl der irakischen Kampfflugzeuge am Vortag nicht noch mit 808 angegeben? Und beim Briefing der Briten wenige Stunden zuvor sei eine „Dezimierung“ der irakischen Waffen um 30 Prozent verkündet worden. Angaben über die Auswirkungen der alliierten Angriffe auf das irakische Militärpotential werden offenbar ganz gezielt zur Manipulation der Öffentlichkeit eingesetzt und, wenn notwendig, auch wieder verändert. Am 21. Januar hatte das Pentagon einräumen müssen, daß die bis dahin voller Stolz verkündete 85-Prozent „Erfolgs“quote für die täglichen Luftangriffe lediglich etwas über die Zahl abgeworfener Bomben, nicht jedoch über Treffer und Zerstörungsgrad aussagt. Die anfängliche Behauptung, genaue „Bombenschadensabschätzungen“ seien schwierig oder gar unmöglich, ließ sich nicht mehr aufrechterhalten. Das derzeitige Auf und Ab offizieller Zerstörungszahlen hat eine doppelte Funktion: Einerseits soll der Öffentlichkeit der anhaltendende „Erfolg“ und damit die Berechtigung der Luftkriegsstrategie vermittelt werden. Andererseits soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, der Beginn des Bodenkrieges stehe unmittelbar bevor. Ein Grund für das Zögern der Bush-Administration vor einem Bodenangriff ist allerdings, daß in einem entscheidenden Punkt auch der militärischen Führung keine verläßlichen Informationen über die Stärke des Gegners vorliegen: zwar heißt es seit einer Woche aus dem Pentagon, die Nachschublinien für die irakischen Truppen in Kuwait seien „zu 90 Prozent unterbrochen“. Doch die Schätzungen, wie lange die bereits vor Kriegsbeginn in Kuwait angelegten Vorräte an Lebensmitteln, Wasser und Munition reichen, schwanken zwischen drei und sechs Monaten.

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