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Keine Angst vor einem Flop

■ Hape Kerkeling auf neuen Wegen

Eigenartigerweise sprachen innerhalb kurzer Zeit zwei einander nicht bekannte Menschen — darunter immerhin ein studierter Mediendoktor — den Berichterstatter an mit folgenden, sinngemäß übereinstimmenden Worten: „Neulich habe ich rein zufällig“ — dieses absichernde „rein zufällig“ ist obligat, wenn es um triviale Unterhaltung geht — „mal wieder diesen Kerkeling gesehen — der ist ja richtig gut geworden.“ Die Neugier des Journalisten war geweckt, und er traf „diesen Kerkeling“ in Bremen, wo er mit einem kleinen Team gerade neue Folgen seiner Sendereihe Total Normal vorbereitete. Ab Mai bekommt Total Normal einen neuen, anderthalbstündigen Sendeplatz am Donnerstagabend und reift somit zur abendfüllenden Prime-Time-Show. Der Entertainer, Moderator und Komiker, der mit sechzehn nicht nur einzelne Sketche, sondern ganze Soloprogramme geschrieben hatte, zeigte sich hocherfreut ob der ihm übermittelten Publikumsmeinung und bekannte, das sei die Reaktion, die er sich immer gewünscht habe.

Diese doch deutliche Verbesserung seines Leumunds hat er sich erst erarbeiten müssen, und auch künftig werden skeptische Zeitgenossen wohl noch mit gelifteten Brauen überprüfen, ob die Zeiten, in denen er als hampeliger Grimassenschneider über die Bildschirme hüpfte, tatsächlich der Vergangenheit angehören. Er selbst ist wenig glücklich mit den Sendungen, die sein Image geprägt haben. Die früheren Auftritt in Känguru, Hapertif und Kanal fatal waren „Sachen, in die ich mich mehr oder weniger hab' drängen lassen und aus denen ich auch so schnell nicht rauskonnte“. Kerkelings Vorstellungen von einer komischen Unterhaltungssendung vertrugen sich nicht mit den Ansichten seines damaligen Produzenten, der maßgeblich Einfluß nahm auf das Konzept, und das Ende vom Lied war, daß der Künstler vom WDR „vor die Tür gesetzt“ wurde. Kerkeling heute selbstkritisch: „Das hätte ich vielleicht auch getan, denn so gut war das alles damals nicht.“ Inzwischen arbeitet er für Radio Bremen, laut Kerkeling „der einzige Sender in der ARD, der ein richtiges Profil hat“. Hier wird ihm die Umsetzung von Ideen gestattet, die er anderswo noch nicht einmal als Vorschlag anbrächte: „Mir würde ein anderer Sender nicht erlauben, in der Bundespressekonferenz zu drehen oder auf irgendwelche Parteitage zu gehen. Da gibt es große Berührungsängste...“ Die Rede ist von seinen NonsenseReportagen, die regelmäßig mehr oder minder sanft in den Bereich der Realsatire gleiten. So besuchte Kerkeling mit einem kleinen Team die Bundespressekonferenz, den Bundespresseball oder die Bambi-Verleihung und nervte, zur Erheiterung der Zuschauer, die versammelte Prominenz, die ob der erfahrenen Frechheiten indigniert in die Kamera schaute. In Deutschland schon fast ein Wagnis, gehören in anderen Ländern derart impertinente Unternehmungen zur Tagesordnung: „In Amerika und England sind so hausbackene Shows wie Volkstümliche Heimatmelodien mit Carolin Reiber die Ausnahme. Solche Sachen gibt es da überhaupt nicht in der Form“, erläutert Kerkeling.

Nicht immer sehen seine Kollegen aus der Showbranche gut aus in diesen Reportagen. Da steht zu befürchten, daß er sich früher oder später die eine oder andere prominente Mimose zum Feind macht. Für Kerkeling kein Anlaß zur Sorge: „Ich glaube nicht, daß man sich mit so einer Sendung nur Freunde macht; dazu ist sie zu extrem. Aber Feinde... nee, glaube ich nicht.“

In der demnächst erweiterten Sendung werden diese Reportagen weiterhin besonderen Raum einnehmen, ergänzt durch Sketche und ein „ganz bescheuertes Quiz“. Auch Live- Übertragungen sind in der Planung; alles soll noch „schriller“ werden: „So unverschämt und so frech, aber immer noch so menschlich wie möglich.“ Angst, daß ihm die Ideen ausbleiben könnten, hat er nicht: „Sieben Jahre mache ich das jetzt und habe immer gedacht, eine 90-Minuten-Show wäre nicht schlecht. Jetzt habe ich sie, und jetzt habe ich auch keine Angst, daß ich sie nicht füllen kann.“ Einem etwaigen Versagen und Verrissen sieht der 27jährige gefaßt entgegen: „Ich sage mir immer wieder: Ich mache diesen Beruf nicht, um mich ins gemachte Nest zu setzen, sondern ich mache das, weil ich Spaß daran habe und weil ich versuchen möchte, etwas anderes zu machen. Deshalb habe ich auch keine Angst vor einem Flop; der kommt sowieso irgendwann mal.“ Harald Keller

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