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Länderchefs Ost für Steuererhöhung

Ministerpräsidenten demonstrieren Einigkeit/ Biedenkopf: Neue Länder brauchen 30 bis 50 Milliarden Mark/ Gleichbehandlung mit Altbundesländern bei der Umsatzsteuerverteilung gefordert  ■ Aus Dresden Detlev Krell

Die Ministerpräsidenten Ost sind sich einig, daß ihre Länder noch in diesem Jahr in der Verteilung der Umsatzsteuer mit dem Westen gleichgestellt werden müssen. Am Ende ihrer zweitägigen Konferenz in Dresden demonstrierten die Ministerpräsidenten der fünf neuen Bundesländer und der Regierende Bürgermeister Berlins vor der Presse Einigkeit. Den Bund forderten sie auf, seinen Anteil von 15 Prozent am Fonds Deutsche Einheit den neuen Ländern zur Verfügung zu stellen.

Subventionen, die mit dem Einigungsvertrag aus der DDR übernommen worden seien, können nach Auffassung der Ministerpräsidenten jetzt nicht den Ländern aufgebürdet werden. Bonn soll zahlen; und die armen Verwandten verpflichten sich, Subventionen „sozialverträglich“ abzubauen. Darüber waren sich die Konferenzteilnehmer bereits nach der ersten Tagungsrunde einig. Längerer Gespräche bedurfte es allerdings über die heikle Frage der Steuererhöhungen, bis die Sechserrunde vor der Presse kundtat, daß die Bewältigung der innen- und außenpolitischen Aufgaben ohne Erhöhung der Einnahmen nicht möglich sei. Weshalb Steuererhöhungen „erwogen“ werden müßten.

Präzisere Aussagen wurden auf die gesamtdeutsche Runde am 28. Februar in Bonn vertagt. Dort werde auch das von Finanzminister Waigel erarbeitete Einsparungsprogramm beraten. Über Beträge, sagte Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), wurde deshalb noch nicht gesprochen. Man gehe aber von 30 bis 50 Milliarden Mark aus, die die neuen Länder noch dieses Jahr brauchen werden. „Erst einmal wollen wir erreichen, daß die Zahlen unserer Finanzminister anerkannt oder mit uns korrigiert werden.“

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sagte, die Ministerpräsidenten wären sich über die Grenzen der Belastbarkeit in den alten Ländern im klaren. Er verneinte einen möglichen Ost-West- Konflikt, die Finanzierung der deutschen Einheit sei eine gesamtdeutsche Ausgabe. Biedenkopf erwartet, „daß die vor Herstellung der inneren Einheit nötigen Beträge auch gesamtdeutsch festgestellt werden“. Es dürfe keine Rollenverteilung geben zwischen denen, die immer fordern, und denen, die immer — möglichst wenig — geben. Eine Anpassung der Lebensverhältnisse in Ost und West prognostizierte Stolpe für „1993 oder früher“. In vielen Bereichen habe sich bereits ein einheitlicher Arbeitsmarkt herausgebildet.

Die von allen Ministerpräsidenten vor der Dresdner Konferenz angekündigte Verfassungsklage für den Fall, daß zur Finanzlage im Osten keine Zeichen aus Bonn kämen, „läuft uns nicht davon“, so Stolpe. Man sehe darin jedoch nur einen letzten Ausweg aus der Misere. Sollte der Weg nach Karlsruhe notwendig werden, sei es nicht ausgeschlossen, daß ihn die Ministerpräsidenten gemeinsam gehen würden.

Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte einen Antrag zur Wohnungswirtschaft und Mietenentwicklung in die Konferenz eingebracht. Mietsteigerungen müssen sich danach an die Einkommensentwicklung anlehnen. Deshalb fordern die Ministerpräsidenten eine differenzierte Mietobergrenze und eine Reform des Wohngeldgesetzes. Notwendig sei auch ein umfassendes Wohnungsbauförderungsprogramm.

Weitere Beratungspunkte der Konferenz waren der Verwaltungsaufbau in den Ländern, die Zusammenarbeit mit der Treuhand, die Neuordnung der Rundfunklandschaft, Infrastrukturprojekte, Landwirtschaft und Gesundheitswesen. Die Premiers wollen den Aufbau eines nationalen Hörfunkprogramms mit RIAS und Deutschlandfunk unter dem Dach des ZDF voranbringen. Am Rande der Konferenz sprachen sie auch über eine Drei-Länder- Fernsehanstalt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

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