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US-Botschaft unter Feuer

■ Die Rote Armee Fraktion bekennt sich zu den Salven auf die Bonner Vertretung der USA/ Warnung mit Leuchtspurmunition

Berlin (taz) — Was zunächst aussah wie eine relativ spontane Reaktion auf das Bombardement des Luftschutzbunkers in Bagdad, entpuppte sich gestern als länger vorbereitete Aktion: Mit einem vierseitigen Schreiben bekannte sich ein RAF- Kommando Vincenzo Spano zu den am Mittwoch abend abgefeuerten Salven auf die US-Botschaft in Bonn. Spano ist ein 1984 inhaftiertes Mitglied der italienischen Gruppe „Prima Linea“. In dem Bekennerschreiben, das am Tatort auf der der Botschaft gegenüberliegenden Rhein-Seite aufgefunden wurde, verlangen die Schützen den sofortigen Stopp des „Völkermordes am irakischen Volk“. Man stelle sich mit der Aktion „in eine Reihe mit all denen, die rund um den Globus gegen diesen US/Nato-Völkermord aufgestanden sind“. Das Bombenmassaker in dem irakischen Bunker wird nicht erwähnt.

Bei dem Anschlag hatten die Täter aus zwei Waffen und über 300 Meter Entfernung etwa 60 Schüsse auf das weitläufige Gebäude abgegeben. Die Polizei zählte etwa 15 Einschüsse. Verletzt wurde niemand. Teilweise hätten die Schützen jedoch auch über das Ziel hinausgeschossen und Häuser in zwei Kilometer Entfernung getroffen, berichtet 'dpa‘. Nach taz-Informationen traf ein Geschoß den Fensterrahmen des Büros von Botschafter Vernon Walters, der allerdings zur Tatzeit nicht im Hause war.

Die Staatsschutzbehörden gingen gestern von der Authentizität des Bekennerschreibens aus. Spekuliert wurde allerdings darüber, ob die Täter zur Kommandoebene der RAF zu zählen seien oder ob es sich um „andere Mitglieder“ der Gruppe handele. Die RAF-Anschläge seien in der Vergangenheit stets gezielt auf bestimmte Personen ausgerichtet gewesen. In dem Schreiben, das in eine Plastikfolie eingeschweißt war, heißt es lediglich, man habe „die Botschaft der USA in Bonn beschossen, weil die USA im Vernichtungskrieg gegen das irakische Volk von Anfang an eine Führungsrolle übernommen haben“. In dem Papier war nach Angaben des Bundeskriminalamts ein Absatz nachträglich eingefügt, der erklärt, warum die Schützen ihre Munition mit Leuchtspurmunition „gemischt“ haben. Damit sollten offenbar die Teilnehmer einer vor der US-Botschaft postierten Mahnwache der Antikriegsbewegung gewarnt werden. Dies sei geschehen, „damit ihr gleich seht, wo genau sich die Schießerei abspielt und niemand von euch vor Schreck in die falsche Richtung läuft“. Man habe „die ganze Zeit“ gewußt, wo sich die Friedensaktivisten aufhielten und außerdem vor den Schüssen „den Weg unten am Rhein kontrolliert“. Teilnehmer der Mahnwache zeigten sich dennoch „entsetzt, daß auch hier wieder Menschen Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele anwenden“.

Die Sicherheitsbehörden haben nach den Worten des Bonner Innenstaatssekretärs Hans Neusel mit einem Anschlag im Zusammenhang mit dem Golfkrieg gerechnet. Deshalb war die Zahl der für die Gebäudesicherung in Bonn eingesetzten Polizisten aufgestockt worden. An das der US-Botschaft und dem Bonner Regierungsviertel gegenüberliegende Rhein-Ufer hat dabei allerdings niemand gedacht. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor wandte sich gegen eine weitere Erhöhung des Bonner Wachpersonals. Bundeskanzler Kohl und Justizminister Kinkel drückten gegenüber dem US-Botschafter ihre „Betroffenheit“ (Kohl) und „Bestürzung“ (Kinkel) über den Anschlag aus. Gerd Rosenkranz

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