Frauen müssen nicht blöd bleiben

■ George Cukors Emanzipationskomödie »Die ist nicht von gestern« im Notausgang

Billie Dawn ist keine Mrs., sie »is' nur 'ne Braut«, sagt ihr Herr und Gebieter, der ebenso skrupellose wie stinkreiche Kapitalist Harry Brock. Der kommt — wie Billie — von ganz unten und sorgt für die strohdumme Blondine. Und die ist zufrieden: »Ich bin dumm, aber mich stört es nicht. Ich bin glücklich dabei. Und außerdem bekomme ich zwei neue Nerze.« Die ist nicht von gestern (Born Yesterday, USA 1951) ist eine turbulente Komödie über die Zerstörung dieses falschen Glücks. Schuld daran: Amerika, Bildung, die Emanzipation der Frau. Happy-End: Der dumme, machtgeile Macho liegt zerstört am Boden, Amerika, dieses großartigste aller Vaterländer ist wieder jungfräulich rein, das Weibchen erkennt seine Menschenrechte — und landet — wo sonst? — im Ehehafen.

Wieder einmal My Fair Lady. Dieses Mal platinblond. Judy Holliday, abonniert auf solcherlei törichte Geschöpfe, erspielte sich mit dem Film einen Oskar. Die Story: Weil das kurvenreiche Blondchen zu blöd ist fürs elegante Washingtoner Parkett, auf dem sein brutaler Kapitalist (Broderick Crawford) nun schmutzige Geschäfte betreiben will, engagiert der harte Junge aus der Gosse den kultivierten Schriftsteller Paul Verral (William Holden) als Hauslehrer. Der soll die bis an den Schwachsinn dämliche Billie salonfähig machen. Blöd, wie Frauen nun mal sind im Film, ergreift die Kleine nun aber nicht etwa sofort die Chance zur höheren Bildung, sondern verschießt sich in den jungen Akademiker mit Brille. Ganz reizend: Sie setzt sich selbst sogar eine Brille aufs Näschen, lernt schwierige Wörter plappern, versucht Zeitung zu lesen — alles für den gütigen, echt gebildeten Kulturmann. Doch der weiß nicht, was Frauen wünschen und will mit der Braut nicht ins Bett, sondern in die Nationalbibliothek. Nein, Bildung muß sein, auf daß das Dummchen zur amerikanischen Bürgerin werde. Also gehts zu Beethoven, in den Kongreß, die Nationalbibliothek usw... Man schließt Bekanntschaft mit Philosophie, Künsten und Weltliteratur — aber vor allem mit der Verfassung der wunderbaren Vereinigten Staaten von Amerika, mit der Unabhängigkeitserklärung dieses großartigen Landes und mit den Menschenrechten dieser gerechtesten aller Gesellschaften.

Und ein Wunder der modernen Sonderschul-Pädagogik geschieht: Billies versteckte Bauernschläue erwacht. Mit großem Ausschnitt, Hüftschwung, Piepsstimme und Fremdwörterlexikon gelingt es ihr nun, ein frühes Watergate zu verhindern. Mitten im großen Coup wird ihr Macker nebst korruptem Anwalt und bestochenem Parlamentarier rapide ausgebremst. Zwar kriegt Schätzchen noch 'ne Maulschelle, aber dann beginnt der Siegeszug des Hollywood-Feminismus. Zumal der Gangster-Kapitalist dem kleinen Luder heimlich 126 Schrottplätze überschrieben hatte...

Feministinnen aufgepaßt: Die ist nicht von gestern zeigt auf überzeugende Weise, daß alle Emanzipation beim Kampf mit der klassischen Weltliteratur und patriotischen Schriften beginnt. Wenn frau nicht weiß, ob England in London liegt oder umgekehrt, wie soll sie da ihren Mann stehen? Wunderbar auch, daß es in Amerika eine Verfassung gibt, die sogar frau mit einem einfachen Wörterbuch übersetzen kann.

Warum man sich den Film vielleicht doch angucken kann? Er ist über weite Strecken trotz allem komisch, was sich der männliche Rezensent schon deshalb zu schreiben getraut, weil vor allem die Frauen im Kino ordentlich abgelacht haben, man muß ja nicht alles so bierernst nehmen. Neben Judy Hollidays absolut witziger Verkörperung eines Klischees mit Brüchen ist es vor allem Broderick Crawford, der Schwung in den Film bringt. Herrlich komisch ist seine Darstellung des Super-Macho-Ich-geh-über- Leichen-Amerikaners, des ewigen Tellerwäscher-Millionärs, der alles kriegt und gar nichts blickt. Ein unkultiviertes Rauhbein, brutal, sentimental, im Grunde halt so ein guter amerikanischer Junge. Irgendwie wie dieser General Schwarzkopf... Thomas Kuppinger