: Saddam reicht den kleinen Finger — Bush will die ganze Hand
■ US-Präsident Bush weist das Angebot aus Bagdad als unannehmbar zurück/ Mehr Bedingungen für den Rückzug als zuvor/ Saddam bietet erstmals Rückzug aus Kuwait im Rahmen einer politischen Lösung an/ UNO-Sicherheitsrat berät
Bagdad/Washington (dpa/afp/ap/taz) — Die weltweiten Hoffnungen auf einen möglichen Waffenstillstand am Golf währten genau drei Stunden: dann trat US-Präsident Bush vor die Öffentlichkeit und erklärte das Rückzugsangebot Saddam Husseins wörtlich zu einer „grausamen Farce“, auf die selbstverständlich nicht eingegangen werden könne. Die Menschen in Bagdad, so Bush, die am Mittag auf der Straße tanzten, hätten sich leider zu früh gefreut, der Krieg ginge weiter. Die Bomber der Alliierten hatten den ganzen Tag weiter Einsätze geflogen, denn, so das US-Oberkommando, man könne schließlich nicht auf eine Rundfunkmeldung hin die Kampfhandlungen einstellen. Dabei hatte es die Erklärung, die um 12.30 Uhr MEZ über den Äther in Bagdad ging, durchaus in sich. „In Würdigung der Initiative der Sowjetunion (...), beschließt der Revolutionäre Kommandorat die Bereitschaft des Irak, sich mit der Resolution 660 des UNO-Sicherheitsrates zu beschäftigen, mit dem Ziel, eine ehrenhafte und akzeptable Lösung zu erreichen, welche den Rückzug einschließt.“ Nach und nach wurde dann bekannt, daß der Irak zur politischen Lösung allerdings einige Bedingungen stellt, deren zeitliche Abfolge jedoch noch unklar blieb. Insgesamt listen die Irakis einen Zehn-Punkte-Katalog auf: umfassender Waffenstillstand und die Aufhebung aller gegen den Irak verhängten UNO-Resolutionen, den Rückzug der USA und aller anderen Aggressoren auf den Stand vor dem 2. August 1990, den Rückzug Israels aus allen besetzten Gebieten, die Garantie der irakischen historischen Rechte zu Lande und zur See, eine politische demokratische Lösung für Kuwait, Wiedergutmachung für die Zerstörungen im Irak und der Erlaß aller irakischen Schulden. Irak plädiert für ein neues Sicherheitssystem der Golfstaaten einschließlich des Irans und keinerlei ausländische militärische Präsenz. Diese Vorstellungen stießen in Washington auf erbitterten Widerstand: Hussein hätte mehr Bedingungen aufgetischt als jemals zuvor, das Ganze sei eine Unverschämtheit. Bush forderte erneut „einen Rückzug ohne Bedingungen“. Alle Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates müßten erfüllt werden. Es könne „keine Verknüpfung zu anderen Problemen in der Region geben“. Es gebe noch einen anderen Weg, das „Blutvergießen zu beenden“, sagte Bush. Das irakische Militär und Volk könnten die Sache selbst in die Hand nehmen und Saddam Hussein zwingen, zur Seite zu treten und die UNO-Resolutionen zu erfüllen.
Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind gestern abend in New York zusammengetroffen, um über den Vorschlag des Irak zu beraten. Danach wollten die USA, die UdSSR, China, Großbritannien und Frankreich die übrigen Mitglieder des Rates treffen. In einer ersten vorsichtigen Stellungnahme hatte UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar erklärt, die Initiative des Irak müsse „sorgfältig geprüft“ werden. SEITEN 2 & 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen