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Neu im Kino: "The Kill off"

■ Luane nimmt nicht mehr ab / Maggie Greenwald's düsterer Film Noir über ein Spinnen-Telefonnetz

Die Kamera folgt langsam den Telefonkabeln, es summt bedrohlich. Wie ein Spinnennetz sehen die zwischen Pfählen gespannten Leitungen aus, und die Spinne in diesem kleinen, fast verlassenen Küstenort heißt Luane Devore.

Die bettlägerige Frau hat alle Bewohner durch ihren bösartigen Klatschgeschichten unter Kontrolle.

„Wie ein Spinnennetz sehen die zwischen Pfählen gespannten Leitungen aus“

Noch bevor der Vorspann abgelaufen ist, hat sich eines ihrer Opfer sofort nach ihrem Anruf erhängt. Und der Nachtclubbesitzer Pete spricht uns aus dem Herzen, wenn er ihr drohend zuflüstert: „That mouth of yours is poison.“

Jeder schleppt in diesem Film dunkle Geheimnisse mit sich herum: Neben Drogengeschäften, Inzest und mysteriösen Todesfällen ist die Stripteasetänzerin und Prostituierte Danny Lee noch die unschuldigste Figur des Films. Alle sind verschlagen, böse und schwach. So kann man relativ distanziert die Schlachten in diesem Spinngewebe ansehen.

Diese Atmosphäre konnte der Thrillerautor Jim Thompson beschreiben wie kein anderer. Er ist der letzte „Hard boiled writer“, der nach Chandler, Hammett und James M. Cain jetzt von den Amerikanern wieder neu entdeckt wird. Neben seinem Sinn für Humor und einigen „erstaunlichen psychologischen Spielereien“ bescheinigte Newsweek seinen Romanen „die Abwesenheit jeglichen moralischen Zentrums“.

Zwei der bösesten Filme der letzten zwanzig Jahre basieren auf seinen Büchern: Peckinpahs „The Getaway“ und Taverniers „Der Saustall“.

Die junge Regisseurin Maggie Greenwald hat in ihrem zweiten Spielfilm den düsteren Humor von Thompson gut getroffen. Der heruntergekommene Ort, die immer etwas auf kränklich und blaß geschminkten Schauspieler und die melancholische Tangomusik von Evan Lurie (dem Bruder von John) — alles ist mit sicherer Hand und Geschmack zu einem zeitgenössischen „Film noir“ zusammengesetzt, der nicht unentwegt die Klassiker zitiert und sich auch nicht in stilistische Manierismen verliert.

Die Gewalt ist immer spürbar, aber der Film kommt fast ohne Pistolen und Fäuste aus. Die schlimmste Waffe ist das Telefon. Am Schluß klingelt es, aber Luane nimmt nicht mehr ab. Wilfried Hippen

Cinema, Mo./Di. 18.45 Uhr (englische Originalfassung)

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