piwik no script img

Wie im Wilden Westen

Für Bankräuber aus dem Westen ist das Terrain im Osten ein Eldorado  ■ Aus Schweinfurt Stephan Maurer

Im Polizeibericht gehört es inzwischen fast zur Routine: Banküberfälle in den neuen Ländern. Immer mehr westdeutsche Kriminelle sehen in den dortigen Filialen westdeutscher Banken ein lohnendes Ziel. Bevorzugt wird dabei das Grenzgebiet zwischen alten und neuen Bundesländern — wie das Beispiel Thüringens zeigt.

So gab es seit dem 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, in Thüringen 32 Banküberfälle, davon allein 17 in Südthüringen, berichtete der Sprecher der Polizeidirektion Schweinfurt, Karl-Heinz Knöchel. Die Chancen, die Täter zu fassen, seien nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen aber gewachsen.

Der erste Banküberfall nach der Einheit wurde am 29. Oktober registriert. Bei den 17 Überfällen in Südthüringen erbeuteten die Täter insgesamt fast 700.000 Mark. So brachte beispielsweise vor kurzem ein maskierter Täter in der Sparkasse in Heldburg 66.000 Mark an sich. Zwei Räuber mußten sich bei einem anderen Überfall mit „nur“ 12.000 Mark begnügen. Meistens treten die Täter maskiert auf, so Knöchel, und sind mit Gas- und Schreckschußrevolvern bewaffnet.

Sechs der 17 Überfälle in Südthüringen wurden bislang aufgeklärt. Alle festgenommenen Täter stammten aus Westdeutschland. Zumeist werden die Überfälle von Einzelnen oder höchstens zwei Kriminellen verübt. Die meisten von ihnen, so Knöchel, seien bereits früher straffällig geworden. Den Tätern wird es von den Banken aber auch leichtgemacht: Die Sicherungen seien völlig unzureichend, klagt Knöchel.

Dennoch steigt die Aufklärungsquote — nicht zuletzt dank der Mithilfe der bayerischen und hessischen Polizei. „Die Zusammenarbeit wird immer besser“, sagt Knöchel. Seit wenigen Tagen verfügt die Schweinfurter Polizei über eine direkte Funkverbindung nach Suhl. Auch eine Telefaxverbindung besteht inzwischen, während die Kommunikation über Telefon weiterhin schwierig ist.

Bei einem Überfall informieren die thüringischen Beamten sofort ihre Kollegen in Bayern, die die Meldung wiederum nach Hessen weitergeben. Auf diese Weise wurden kürzlich zwei Männer aus dem Ruhrgebiet gefaßt, die eine Sparkasse in Helmershausen überfallen hatten. Ein Polizeimeister der Station Fladungen in der bayerischen Rhön hatte eine halbe Stunde nach dem Überfall den verdächtigen Wagen vorüberfahren sehen und leitete eine Ringfahndung ein. Allein von den Polizeidienststellen der Region Main-Rhön waren 21 Fahrzeuge im Einsatz. Gefaßt wurden die Täter schließlich von hessischen Beamten bei Gersfeld. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen