: Sitzen oder dienen?
■ Betr.: "Berufsarmee - Nein danke", taz vom 12.2.91
betr.: „Berufsarmee — Nein danke“, Kommentar von Martin Kempe, taz vom 12.2.91
Wehrpflichtiger Martin Kempe, stillgestanden, antreten zum Denken, beantworte folgende Fragen:
1.Sind Parteien wie Grüne, PDS oder Organisationen wie Humanistische Union, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Zentralstelle KDV, DFG-VK, SOZDL und die Totalverweigerer nur nützliche Idioten für „deutsche Militärstrategen und -lobbyisten“, da sie für die sofortige Abschaffung der Wehrpflicht kämpfen, oder gibt es nicht vielmehr eine Pflicht für KriegsgegnerInnen, sich gegen die Pflicht, die das Volk zu den Waffen zwingt, zu wehren?
2.Sprechen nicht die Tatsachen, daß die zwei von Deutschland initiierten Weltkriege gerade mit Wehrpflichtarmeen geführt wurden und daß jeweils nach Kriegsende den Deutschen das verbrecherische Instrument Wehrpflicht aus den Händen geschlagen wurde, eine deutliche Sprache? Zeigt sich da etwa, daß Wehrpflichtige, für den wirklichen Krieg nur bedingt einsatzfähig gewesen sind?
3.Was ist das für eine Armee, die spätestens 1994 zu zwei Dirtteln aus professionellen Soldaten bestehen wird? Und wer schmeißt den Laden in dieser „starken Truppe“, wer befiehlt, wer hat das militärische Herrschaftswissen und wer ist besonders qualifiziert, um in dieser terroristischen Vereinigung zu dienen?
4.Stehen die Wehrpflichtigen wirklich vor der Frage „Verweigern“ oder Dienen oder stehen sie nur einfach stramm, da für sie nur vorgesehen ist, dem Vaterland zu dienen (egal ob im Wehr- oder Zivildienst). Müßte die Frage nicht lauten „Sitzen oder Dienen“, da jeder Kriegsdienstverweigerer, der sich der Wehrpflicht und allen Zwangsdiensten verweigert, straftrechtlich verfolgt wird?
5.Wenn die Befürchtung richtig sein sollte, daß eine „Freiwilligenarmee“ Bundeswehr ein „Staat im Staate“ werden könnte, müßte da nicht eher eine radikale Veränderung der Wehr- und Personalstruktur und eine direkte Außenkontrolle dieser Armee durchgesetzt werden (wenn wir es schon nicht schaffen, die Bundeswehr abzuschaffen!), statt totale Kriegsdienstverweigerer zu kriminalisieren? [...] Heiko Streck, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen