: Etwas Altes, Fernes
■ Thomas Knoth in der Galerie Johannes Zielke
Als Thomas Knoth letztes Jahr sein Studium der Plastik an der Kunsthochschule Berlin- Weißensee mit einer Atelierausstellung abschloß, stand inmitten der gipsernen Hohlformen und Plateaus noch ein großer Kopf, der mehr durch seine schneeige Massigkeit als durch physiognomische Präsenz Aufmerksamkeit erregte. Mit ihm nahm der junge Bildhauer vorläufig Abschied von der menschlichen Figur. In seiner jetzigen Ausstellung Ebenen, Geschützte Orte hat er sich auf das Terrain künstlicher Artefakte begeben, die weder der Welt funktionaler Gegenständlichkeit zugeordnet noch als organische Fragmente gelesen werden können. So könnte ein rotgefärbter unregelmäßiger Brocken, in dem rechteckige Vertiefungen die Spuren des menschlichen Eingriffs markieren, sowohl von einer archäologischen Ausgrabungsstätte stammen als auch naturhistorisches Fundstück aus einem Steinbruch sein.
Der Gips, in der akademischen Bildhauerkunst Material für Modelle, verliert bei Knoth den Charakter des Vorläufigen. Als preiswertes Material erlaubt er Flexibilität und Mobilität. Knoth erhält ihm seine griffempfindlichen, bröckeligen Eigenschaften, die rauhen Oberflächen seiner Skulpturen fordern Behutsamkeit im Umgang. Nicht von ihrem ewigen Bestand, sondern von ihrem Verfall erzählen seine Fragmente.
Krustige Hohlformen markieren »Geschützte Orte«. Möglicherweise sind sie aus der Negativform, dem Mantel, der erst die Skulptur eines Kopfes barg, entwickelt worden — als hätte man dies Nebenprodukt der Bildhauerei von Kieselalgen überwachsen lassen. Die »Ebenen«, auf denen sie liegen, lassen sich als simple Tische, Teile der Werkstatt erkennen, die zu Elementen von Landschaft und Architektur werden. Aus der Fläche schieben und schichten sich Erhebungen auf. Knoth hat seine Formen in der alltäglichen Umgebung des Ateliers gefunden; er verwandelt sie aber in fremde Objekte, die aus großer Ferne aufzutauchen scheinen und dennoch deutlich ihren Charakter als Kunstwerk verraten.
Seine Papierarbeiten zeigen große fettige Flecke, durchzogen von farbigen Mäandern. Ihr Erdrot und helles Grün gleicht den Resten alter Fresken, in denen sich, was einmal Bild war, zum Zeugnis seiner eigenen Geschichte aufgelöst hat. An Architekturrelikte erinnern auch kleine Wandtafeln mit vorkragenden Tragelementen, die man sich als Stellorte kleiner Idole denken kann.
Trotz dieser möglichen Assoziationen hält Knoth Abstand von der Inszenierung eines archaischen oder kultischen Ortes, seine Kunst geht nicht in der Simulation vergangener oder verdrängter Geschichte auf. Er versucht, sich von konkreten Bezügen frei zu halten; Bedeutung gewinnen die Formen im Raum in ihrer Beziehung zum Besucher, der sich in sie als Orte unterschiedlicher Befindlichkeiten hineinphantasieren kann. Katrin Bettina Müller
Thomas Knoth: Ebenen, Geschützte Orte , Galerie für Malerei und Plastik Johannes Zielke, Oderberger Straße 54, Berlin O-1058, bis 9. März, Di. bis Fr. 14 bis 19 Uhr, Sa. 15 bis 19 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen