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Horrormeldungen braucht es nicht

Wissenschaftler wehren sich auf einem Hearing der SPD in Bonn gegen Horrormeldungen über ökologische Auswirkungen des Golfkriegs, halten schwerwiegende Folgen in Europa aber für unvermeidlich/ Ruß kommt nach Europa  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Auswirkungen des Golfkriegs nähern sich Europa vom Westen her. Der Ruß, der bei den bisherigen Ölbränden am Golf entstanden ist, wird mit Sicherheit von den Luftströmungen innerhalb von vierzehn Tagen um die Welt und bis nach Europa getragen. Derzeit, so der Hamburger Klimaforscher Professor Graßl, sei bereits mehr Ruß in der Atmosphäre gelandet, als die Industrieländer in einem Jahr in die Luft blasen. Seine Hauptsorge gilt indes nicht den schwarzen Fingern, die man sich holt, wenn man über die Möbel wischt, sondern den hochgiftigen und krebserzeugenden Beimischungen des Rußes. Als sicher gilt auch, daß der feinverteilte Rußniederschlag die Gletscher in den asiatischen Bergwelten über viele Jahre schneller abschmelzen läßt.

Zu länger andauernden Wirkungen aber wird es auf der Nordhalbkugel erst bei weiteren umfangreichen Ölbränden geben, vertritt Prof. Graßl, der gegenwärtig im Auftrag des Bundesumweltministeriums Klimaszenarien durchrechnen läßt.

Ruß erreicht bald Europa

Zwar werde es nicht zu einem „nuklearen Winter“ mit extremen Temperaturstürzen oder zu einer Schädigung der Ozonschicht kommen, doch wenn die bei einem Expertengespräch im Umweltministerium als realistisch angenommene Menge von 80 Millionen Tonnen Öl über die Dauer eines Jahres verbrenne, werde die Temperatur auf der nördlichen Erde für mehrere Jahre um ein bis zwei Grad sinken.

Dies bedeute beispielsweise, daß in Kanada der Weizen nicht mehr reif werde. Die Ergebnisse der derzeit laufenden Computersimulation werden nach Aussage des Wissenschaftlers auf einem von der SPD veranstalteten Hearing zu den „Umweltauswirkungen des Golfkrieges“ noch zurückgehalten. Was die sechzig beteiligten Wissenschaftler errechnet haben, sei so gravierend, daß man derzeit noch an Rechenfehler glauben möchte, sagte Professor Graßl.

Gerade weil die Wissenschaftler des Hearings durchweg vor unbelegten Horrormeldungen warnten und sich einer vorsichtigen Beschreibung der ökologischen Auswirkungen befleißigten, wirkten ihre Aussagen um so eindrücklicher. Die Experten waren sich einig, daß es in der Golfregion bereits jetzt zu langfristigen und irreparablen Schäden gekommen ist, insbesondere was die Grundwasser- und Bodenverschmutzung durch auslaufendes Öl angehe.

Der Oldenburger Meeresbiologe Professor Höpner, seit vielen Jahren mit der ökologischen Situation des Persischen Golfes beschäftigt, vertrat, daß die Voraussetzungen für den biologischen Abbau des eingeleiteten Öls günstig seien. Wegen der jahrzehntelangen Ölbelastung des Golfs habe sich die Bakterienflora bereits angepaßt.

Schwere Folgen für das Meer

Dennoch werde es zu unumkehrbaren Schäden in den Korallenriffen und Seegrasflächen als den Laichgründen von Fischen und Krebsen kommen. Die Zugvögel, die auf dem Weg nach Europa sind, bleiben dagegen von der Ölpest unberührt — es trifft vor allem die am Golf direkt lebenden Vögel. Deutlich wurde bei der SPD-Veranstaltung zugleich, wie wenig die staatlichen Stellen auf den Fallout aus dem Golfkrieg eingerichtet sind. So wird nach Aussage von Dr. Sartorius vom Umweltbundesamt nicht einmal der Ruß untersucht, weil die anfallende Menge bisher zu gering war. Auch Satellitenbilder über die Rußverteilung stehen nicht zur Verfügung, weil die Fotos zu teuer sind. Dr. Sartorius problematisierte zugleich, wie absurd die Beschäftigung mit den Umweltschädigungen sei, solange sie isoliert betrachtet würden. Schließlich werde bei den Bombardierungen von Bagdad und Basra jede Menge krebserzeugenden Asbests frei, doch sei dies angesichts des Horrors des Krieges nebensächlich. Es brauche deswegen nicht des verölten Kormorans, um ein sofortiges Ende des Kriegs zu fordern.

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