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Verhaltener Optimismus bei den NRW-Grünen

Nach dem Schock der Bundestagswahl gewinnt die linksgrüne Politikroutine schon wieder an Boden/ Realos wollen Signal: Trennung von Amt und Mandat muß weg/ Unterschriftenkampagne aus Aachen für Antje Vollmer und Joschka Fischer  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Rücktritt von Bundesvorstandssprecher Christian Ströbele reicht den nordrhein—westfälischen Grünen nicht aus. Schon am Dienstag hatte der linksdomonierte grüne Landesvorstand den gesamten Bundesvorstand wegen mangelnder Beteiligung an der parteiinternen Strukturdebatte zum Abtreten aufgefordert. Daran hält der Landesvorstand, dessen Rücktrittsforderung zeitlich vor den Ströbele-Äußerungen zu Israel lag, auch jetzt fest. Während der Landesvorstand mehrheitlich politisch auf der Linie des Bundesvorstandes liegt und nur die Personen austauschen möchte, geht es den Realos in NRW um einen Bruch mit der alten Politik. Personell umgesetzt werden soll der Neuanfang mit Antje Vollmer und Joschka Fischer als künftige Doppelspitze der grünen Partei. Mit einer bundesweiten Unterschriftenkampagne, initiiert von den Aachener Grünen, hofft man die beiden grünen Stars dazu bewegen zu können, sich für den Parteivorsitz zur Verfügung zu stellen. Damit aus den Grünen wieder ein „handlungsfähiger Faktor in der gesamtdeutschen Republik“ werden könne, so heißt es im Aufruf, seien Personen erforderlich, die „mit ihrer Ausstrahlungskraft in die Gesellschaft und in die grüne Partei hinein“ ein glaubwürdiges Signal auszusenden in der Lage seien. „Wir haben das Zutrauen, daß euch beiden das gelingt.“ Der Appell habe „eine unglaubliche Resonanz ausgelöst“, heißt es in Aachen, wo innerhalb von zwei Wochen etwa 200 Unterschriften eingegangen sind. Man hofft bis zum Parteitag Ende April eine „Lawine“ loszutreten. Wenn Tausende aus der Partei entschlossen drängten, bliebe das mit Sicherheit auch nicht ohne Wirkung auf Vollmer, die beim letzten Bundestreffen der Realos signalisiert hatte, für die Kandidatur nicht zur Verfügung zu stehen. Das war beileibe kein kategorisches Nein; vielmehr hegt Vollmer Zweifel, ob ein ernsthafter Neuanfang in der Partei überhaupt noch gewollt wird.

Mit dieser Befürchtung steht die frühere Fraktionssprecherin nicht allein. Nach der Hessenwahl wähnen sich viele Grüne schon wieder auf der Gewinnerstraße. Selbst die Linken, jahrelang darin geübt, den vom Wahlvolk goutierten hessischen Realokurs zu diffamieren, schafften es, aus dem Wahlergebnis Honig zu saugen. Die große grüne Familie hatte plötzlich gewonnen, kein politisch dezidierter Kurs, kein Flügel und schon gar nicht der unstreitig populäre Fischer. Nach der Hessenwahl, so sagt die realpolitisch gesonnene Beate Scheffler, Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, „war die grüne Welt schnell wieder in Vorwahlordnung“. Es drohe jetzt ein „schließt-euch-fest-zusammen- Parteitag“. Wenn nun allenthalben von notwendigen Strukturveränderungen — wie der Abschaffung der Rotation — die Rede sei, dann werde so getan, als seien „die Fehler der Vergangenheit quasi urwüchsig einfach so passiert“. Tatsache sei jedoch, daß bestimmte „politische Mehrheiten diese Entwicklung gewollt haben“. In der Tat, die Liste der durch den linken Konservativismus blockierten Themen und Projekte ist lang. Es ist noch nicht so lange her, daß jeder Realo von den Linken erbarmungslos des „Verrats“ geziehen wurde, der rot-grünen Koalitionen oder der Abschaffung der Rotation das Wort redete. Inzwischen sind die linken Eiferer von einst bei diesen sogenannten „Knackpunkten“ zwar längst auf der Realostraße, aber wenn es um neuere Themen geht, etwa um die Aufgabe der Trennung von Amt und Mandat, brechen die alten Fronten sofort wieder auf.

Die Realos in NRW, die am vergangenen Wochenende ihren nordrhein-westfälischen Parteitag vorbereiteten, sind entschlossen, die in der Satzung auferlegte Unvereinbarkeit von Amt und Mandat ohne jede Einschränkung aufzuheben. Sollten sich die Delegierten, die eine Woche vor dem Bundesparteitag zusammen kommen, erneut für einen faulen Kompromiß entscheiden, dann könnte das zur großen Trennung führen. Michael Vesper, Sprecher der Düsseldorfer Landtagsfraktion fürchtet, „daß dann viele die Partei verlassen werden“. Vesper treiben böse Ahnungen, daß der durch die Dezemberwahlniederlage erzeugte Veränderungsdruck durch die Hessenwahl zwischenzeitlich verflogen sein könnte. Inzwischen hingen viele schon wieder der „Es-ist- alles-nicht-so-schlimm-Stimmung“ an. Dagegen wollen die NRW-Realos mit einem scharf formulierten Leitantrag angehen. Als Botschaft soll, so Beate Scheffler, „eine klare Absage an die Systemopposition“ rüber kommen. In einem ersten Entwurf heißt es, daß die Grünen sich als Partei verstünden, „die innerhalb des bestehenden gesellschaftlichen und parlamentarischen Systems der Bundesrepublik konkrete Reformschritte“ durchsetzen wolle. Ob es für solche Formulierungen eine Mehrheit gibt, steht dahin. Während die Bochumer Realos auf Kreisebene mit knapper Mehrheit eine Urabstimmung über die Struktureform durchsetzen konnten — das Ergebnis steht noch aus —, glaubt die die Strukturdebatte vorbereitende Arbeitsgruppe der Dortmunder Grünen, daß die Trennung von Amt und Mandat auf Bundes- und Landesebene beizubehalten sei, „da Machtmißbrauch befürchtet wird“.

Das sind wohlvertraute Töne, die alles andere als einen Wechsel der grünen Gemütslage signalisieren. Links-grün steht nicht der Sinn nach großen Brüchen. Jürgen Maier, Vertreter des linken Forums im Bundesvorstand, möchte am alten Trennungsgebot ebenso festhalten wie Manon Tuckfeld, Radikalökologin im Bonner Führungsgremium der Grünen. Als sich beide während einer Diskussion in Dortmund so äußerten, stieß das bei den etwa 30 Anwesenden auf keinerlei Widerspruch. Lediglich Landesvorstandssprecher Wolfgang Schmitt, als Widerpart geladen, ging der Frage nach, zu was gute Absichten von einst in der Praxis geführt haben. Jürgen Maier präsentiert ein einfaches Zukunftsrezept: „Ein klares grünes Profil muß wiederhergestellt werden“, gefragt sind „klare Pflöcke“, denn „eine Partei, die gleichzeitig für und gegen Müllpolitik, für und gegen Golfkrieg, für und gegen Nato ist, verliert an Attraktivität“. Er ist natürlich „gegen“. Warum sind 600.000 WählerInnen von den Grünen zur SPD geflüchtet? Genau, weil die SPD, die bekanntermaßen linksradikale Alternative zu den Grünen, die massenhafte Sucht nach der politischen KLarheit stillt. Radikalökologin Tuckfeld, wie Meier eine echte grüne Führungskraft, mochte da nicht abseits stehen. Sie hat entdeckt, daß viele Künstler, die im Wahlkampf bei der SPD aufgetreten sind, „früher bei uns waren und das hat einen Grund, das mangelnde Profil“. Ihre Konsequenz: „Die Grünen müssen ihre Positionen härter und genauer beschreiben“ und gegen solch „zerstörerische Positionen“ — wie sie Tuckfeld z. B in der grünen Unterstützung von Abwehraketen des Typs Patriot für Israel ausgemacht hat — vorgehen.

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