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Wassermaus und Kröte

■ Grüne Ideen dringen langsam in die Köpfe von Sportlern, nur: Wieviel Sport verträgt die Natur? PRESS-SCHLAG

Schöne Zeiten waren das, als der gute Magnus Gottfried Lichtwer (1719-83) naturtrunken dichten konnte: „Von dem Ufer einer See, krochen annoch abends späte, eine Wassermaus und Kröte, an den Bergen in die Höh.“ Und heute? Würde die Kröte bös' die Backen aufblasen und das Mäuschen angstvoll die Ohren anlegen — wenn den beiden überhaupt die Zeit dazu bliebe. Mountain-Biker, Surfer, Jogger und Snowboarder werden annoch abends späte, die feine Arbeitskleidung fürs Kontor mit dem Sportgerät getauscht, zu wildgewordenen Jägern: raus aus der Fabrik, rein in die Natur. Feld, Wald und Wiese als großer Freizeitpark.

Bewegungsmuffel sind mega- out. Die Industrie hat den sportlichen Menschen entdeckt und verdient gut daran, der Deutsche Sport Bund (DSB), mit mehr als 20 Millionen Mitgliedern eine gewaltige Lobby, hat längst die Parole ausgegeben: „Sport für alle!“ Chancenlose Natur. Hoch oben hetzen die Enkel Luis Trenkers die Gemsen, tief unten grapschen die von Jacques Cousteau gierig nach bunt- schillernden Korallen.

Doch langsam geht's zuend'. Umweltschützer demonstrieren gegen Lift- wie Hotelbauten, Motorsportler stehen am Pranger. Und Paddlern, Schwimmern und Tauchern stinkt's: In trüber, chemiegesättigter Kloake hört der Spaß auf. Igitt! Folge: Sportler wie Sportverbände sind gegen grüne Gedanken nicht mehr immun.

Als die Öko-Zeitschrift 'natur‘ fürs März-Heft Prominente interviewte, zeigten die meisten tiefe Einsicht: Für Michael Groß (Wasser) geht es nicht ohne „Opfer bringen“; Reinhold Messner (Berg) geht „nicht in eine Wand, wo Falken nisten“; Walter Röhrl (Kurve) will Rallyes — Gipfel des Öko-Pazifismus! — künftig „etwa auf Truppenübungsplätzen“ schleudern lassen; und Peter Angerer (Skigewehr) läßt schon heute den bleiverseuchten Boden am Schießstand einmal jährlich entsorgen.

Nur, ans Eingemachte will keiner. Für Groß sind gar „Sport und Umweltschutz natürliche Verbündete“, Hans-Joachim Stuck (Kurve) sieht sich als Öko-Innovator („Ohne den Motorsport hätten wir heute nicht diese umweltfreundlichen Autos auf der Straße“), und dem Bayern Markus Wasmeier (Hang) gerät der Kunstschnee aus der Kanone zum Biokompost: „Wo vorher nur magere Wiesen waren, ernten die Bauern jetzt mehr.“ Mit Demeter und Müsli hat der alpine Skizirkus indes nichts zu tun, trotzdem: Positive Aktivitäten gibt es durchaus, und sei es nur, um — in noblen Skiorten etwa — den künftigen Profit nicht zu gefährden. Sportlehrer lernen und lehren Ökologie, in Andermatt wird eine Wiese geflutet und damit zum „Natureisfeld“, der Landkreis Miesbach informiert Wanderer über den Lebensraum der Rauhfußkäuze. Das freut die 'natur‘.

Allein der Angerer Peter stupst gegen einen vernachlässigten Aspekt: „Eine komische Situation: Erst fahre ich drei Stunden, davon zwei im Stau, dann komme ich im totalen Frust an ...“ Die Grünen sagen's schon lange. In ihrem wenig beachteten programmatischen Papier wird vor Jahren schon eine „neue Bewegungskultur“ gefordert, ein Alltag mithin, der den Fahrstuhl durch die Treppe ersetzt, die U-Bahn durchs Fahrrad, den statischen Arbeitsplatz durch einen bewegungsaktiveren, kurz: Keine — auch örtliche — Trennung von Wohnen, Freizeit und Arbeit.

Für Fitneß-Ideologen eine greuliche und unprofitable Vorstellung: Gesunde Menschen, ganz nach der Methode FDH (Friß die Hälfte) sowie abendlichem leichten Nasenbohren — ohne Aerobic und Jetski. Kröte und Wassermaus hätten ihre Ruh'. Herr Thömmes

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