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Ein ganz gewöhnlicher Stasi-Mitarbeiter

■ Der Fall de Maizière wirft Licht auf den Umgang der CDU mit den Stasi-Akten KOMMENTARE

Oft ist es für einen Angeklagten geschickt, zu den erhobenen Vorwürfen zu schweigen und abzuwarten, was sich hieb- und stichfest beweisen läßt. Der Anwalt de Maizière hat diese Strategie gewählt. Er dementiert, was ihm niemand vorgeworfen hat. Er hat keine Verpflichtungserklärung unterschrieben und kein Geld angenommen. Das hat kaum einer der unzähligen „inoffiziellen Mitarbeiter“ (IM), auf die die Stasi ihre Kirchenpolitik stützen konnte, getan.

Zu schweigen, wäre sein Recht im Strafverfahren. Beim Fall de Maizière geht es allerdings nicht um eine Anklage im strafrechtlichen Sinne, sondern um die moralische Glaubwürdigkeit und die Vertrauenswürdigkeit eines stellvertretenden CDU-Vorsitzenden. Unter diesem Gesichtspunkt provozieren de Maizières Schweigen und Schäubles Abschlußbericht Fragen über Fragen.

De Maizière behauptet nicht, da sei nichts gewesen. Aber er sagt nicht, was genau gewesen ist. Bisher hat keiner der Stasi-Zuträger von sich aus ausgepackt, bevor er erwischt wurde. Bisher hat keiner mehr gesagt, als ihm durch Aktenfunde nachweisbar war. Auch die hohen Motive, die de Maizière sich zugute hält, nehmen Stasi-IMs aus dem kirchlichen Zusammenhang allesamt für sich in Anspruch. „Humanistische Gründe“ und das Bemühen, Konfrontationen zwischen Kirche und Staat zu verhindern, sind in vielen IM-Personalakten von den Führungsoffizieren als „Motiv für die Zusammenarbeit mit dem MfS“ notiert.

Es „überwiegt der Eindruck, daß 'Czerni' und de Maizière identisch waren“, schreibt das Innenministerium in seinem Abschlußbericht. Im vertraulichen Abschlußbericht der Gauck-Behörde dürfte sich dies noch etwas deutlicher anhören. Monatlich habe es die Treffen mit de Maizière gegeben, auch schon mal in konspirativen Wohnungen, sagt sein Führungsoffizier Hasse. Der Rhythmus ist wie bei wichtigen IMs üblich. Das CDU-geführte Innenministerium will dennoch nicht ausschließen, daß de Maizière naiv war und für sich die guten Motive vorschützen kann. De Maizière will keiner Person geschadet haben. Mag sein. Wie ein Geheimdienst die Informationen eines kleinen Zuträgers nutzt, weiß der Zuträger naturgemäß nicht. Die Staatssicherheit hat unzählige Informanten wie de Maizière ausgenutzt, um die Kirche auf Linie zu bringen. Der MfS-Major sagt, es sei auch über Wehrdienstverweigerer und Ausreisewillige geredet worden. Wußten das die Mandanten des Rechtsanwaltes de Maizière?

Daß de Maizière sich mit seinem guten Anliegen nicht beim Staatssekretariat für Kirchenfragen gemeldet hat, sondern bei einem Führungsoffizier des Geheimdienstes, war unter DDR-Verhältnissen normal: Wer etwas erreichen wollte, mußte sich mit der Stasi einlassen. 1.200 Seiten hat die Stasi im November 1989 mit den IM-Akten der Abteilung für Kirchenfragen vernichtet. In einem Fall ist der Bericht des Führungsoffiziers von dem Gespräch mit 'Czerni‘ gefunden worden: Vorbericht über eine Bundessynode. Die Stasi bereitet solche Kirchenkonferenzen gezielt vor.

Wußte die Kirche, was de Maizière der Stasi da vor der Bundessynode der evangelischen Kirchen meinte mitteilen zu müssen? Die Kirche hat grundsätzlich darauf Wert gelegt, daß sie über solche Kontakte vertraulich Mitteilung erhält — dadurch trennte sich die Spreu vom Weizen. Zudem ist es überhaupt nicht selbstverständlich, daß dienstliche Gespräche eines Anwaltes oder Synodalen bei der Staatssicherheit unter Decknamen protokolliert werden wie im Falle 'Czerni'. Auch darin gleicht der Fall völlig dem anderer inoffizieller Mitarbeiter, 'Czerni‘ war ein ganz gewöhnlicher IM der Stasi.

Des MfS-Major sagt, es sei auch über Wehrdienstverweigerer und Ausreisewillige geredet worden — wußten das die Mandanten des Rechtsanwaltes de Maizière?

Die Kirchen der ehemaligen DDR tragen einen Teil der Schuld daran, daß über einen Fall wie den de Maizières jetzt ein Tuch des Verschweigens gehangen werden kann. Sie haben bisher wenig dazu getan, daß das Wirken der Staatssicherheit in ihren Reihen geklärt und aufgearbeitet werden könnte. Sie haben auch wenig dazu getan, daß klar zwischen den dienstlichen Kontakten kirchlicher Verantwortlicher zur Staatssicherheit und den kleinen Zuträgern, die die Stasi unter „IM“ führte, unterschieden werden kann.

Als Ministerpräsident der DDR hat de Maizière sich für einen möglichst restriktiven Zugang mit den Stasi-Akten eingesetzt. Insbesondere sollte verhindert werden, daß kleine IMs vom Schlage 'Czerni‘ auffliegen. Die Bonner CDU führt diese Politik fort. Als Vorsitzender der CDU-Programmkommission wird de Maizière dann mit seinem hohen Ton über die moralischen Grundsätze christdemokratischer Politik belehren.

Mit einem Stasi-IM hat die CDU neben Kohl den Repräsentanten, den sie verdient. Klaus Wolschner

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