: Steuergeschenke für die Reichen
■ Auch in Berlin Empörung gegen die Bonner Steuererhöhungen/ SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS werfen Bundesregierung Wahlbetrug vor/ SPD: Großverdiener sparen drei Millionen Mark im Jahr
Berlin. Nicht nur in Bonn schlugen gestern die Wogen der Erregung wegen der von der Bundesregierung beschlossenen Steuererhöhungen zur Finanzierung des Golfkriegs und der deutschen Einheit hoch — auch in Berlin sind die Parteien, die in Bonn die Oppositionsbank drücken, empört. SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS fanden scharfe Worte für das Bonner Kabinett und geißelten die Steuererhöhungen als Wahlbetrug. Die Berliner SPD erregt vor allem, daß kleine und mittlere Verdiener über die Maßen belastet werden, während Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer als Geschenk an die Unternehmer gestrichen würden. Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Horst- Achim Kern, errechnete, daß die 40 reichsten Menschen in der Bundesrepublik durch die Streichung der Vermögensteuer ein jährliches Steuergeschenk von mehr als drei Millionen Mark im Jahr erhalten. Die 100 vermögensstärksten Kapitalgesellschaften würden sogar jeweils um zehn Millionen Mark jährlich entlastet — während den neuen Ländern im Osten dadurch rund neun Millionen Mark fehlten. »Die Stadt muß sich jetzt wehren«, fordert Kern. Wie die SPD das allerdings bewerkstelligen will, der in Berlin innerhalb der großen Koalition die Hände gebunden sind, geht aus den flammenden Worten Kerns nicht hervor.
Senatssprecher Flämig kündigte gestern nach der Senatssitzung an, Berlin werde im Bundesrat der geplanten Erhöhung der Arbeitslosenversicherung nicht zustimmen. Eine Begründung für dieses Vorgehen wollte er nicht nennen. Zu der in der letzten Woche großspurig verkündeten Drohung, dem gesamten Bonner Steuerpaket im Bundesrat nicht zuzustimmen, sollte es bei den Beschlüssen zum Abbau der Berlinförderung bleiben, wollte sich Flämig ebenfalls nicht äußern.
Auch die AL-Bürgerbewegten im Schöneberger Rathaus wollten gestern nicht schweigen. Der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Arnold Krause (Bündnis 90), warf der Bundesregierung massiven Wahlbetrug vor. Die geplanten Maßnahmen seien sozial unausgewogen: Auch er kritisierte, daß die mittleren und unteren Einkommensschichten besonders stark getroffen würden. Zu niedrig fällt nach AL-Ansicht die Erhöhung der Mineralölsteuer aus; sie fordern eine Anhebung auf mindestens 50 Pfennig pro Liter Kraftstoff und eine befristete Ergänzungsabgabe für Einkommen oberhalb von 60.000 Mark. Mit einer solch drastischen Erhöhung der Mineralölsteuer flössen Mehreinnahmen von jährlich 50 Milliarden Mark in die Bonner Kassen. Der stellvertretende Fraktionschef der PDS, Peter Zotl, warf dem Kanzler vor, größten Schaden über das deutsche Volk gebracht zu haben. Berlin werde mit den Bonner Plänen das »Modell für ein neudeutsches Notstandsgebiet«. kd
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