Der Rückzug kommt zu spät

■ Jetzt wollen die USA die Kapitulation des Irak ohne Wenn und Aber KOMMENTARE

Zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt hat Saddam Hussein mit dem Überfall eines Nachbarstaates einen Krieg begonnen oder mit ausgelöst. Der erste forderte auf beiden Seiten rund eine Million Tote; die jetzige Zahl ist nicht bekannt. Unterm Strich konnte der irakische Staatschef in beiden Kriegen kein einziges seiner materiellen Ziele erreichen: Er konnte sich weder die iranische Erdölprovinz Khouzistan einverleiben oder Grenzverschiebungen durchsetzen, noch, im aktuellen Falle seine „19. Provinz“ behalten.

Der Wille zum politischen Überleben, der im Innern mit Gewalt durchgesetzt wurde, veranlaßte Saddam im iranisch-irakischen Krieg, nach seiner ersten großen militärischen Niederlage einen Waffenstillstand anzubieten. Das wurde damals von Teheran abgelehnt, da die Ayatollahs auf die Errichtung einer islamischen Republik im Irak hofften. Auch heute setzen die Verbündeten unter Führung der USA darauf, ihre Nachkriegsordnung ohne Saddam zu errichten und möchten ihn zumindest weitgehend schwächen. Im Unterschied zum ersten Golfkrieg erfolgte der jetzige irakische Aufruf zum Abzug der Truppen aber zu spät.

Gerade weil vieles dafür spricht, daß die Bodenoffensive die favorisierte Option der USA war und die kurze Laufzeit des Ultimatums von diesem Interesse diktiert wurde, war es unwahrscheinlich, daß die Verbündeten nach den militärischen Erfolgen nun ihre Angriffe einstellen. Hieß es früher in Washington, wenn Saddam Hussein vom Rückzug spreche, sei vieles möglich, so beharrt die US-Administration heute auf einer Kapitulation des Irak. Damit wäre auch das Problem der Entwaffnung der irakischen Truppen in ihrem Sinne gelöst. Gleichzeitig wirft die Antwort Bushs auf Saddams Rede ein neuerliches Schlaglicht auf die tatsächlichen Kriegsziele der USA. Ginge es nur um die Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait, müßten die Waffen der Verbündeten bereits schweigen, Doch in Washington zeigt man sich fest entschlossen, Saddam Hussein ein für alle Mal in seine Schranken zu weisen. Also wird es weitere Tote geben. Die eigentlich Leidtragenden sind die Iraker und Irakerinnen, denn ganz gleich, wie der Krieg zu Ende geht, sieht ihre Zukunft keinesfalls rosig aus. Jenseits der Opfer und der wirtschaftlichen Zerstörung scheinen die einzigen politischen Alternativen zu lauten: Saddam Hussein, Militärdiktatur oder islamische Republik. Beate Seel