: Alliierte schneiden Fluchtweg ab
■ Auch nach der Rückzugsorder an die irakischen Truppen in Kuwait setzten die Alliierten die Kampfhandlungen fort/ Kuwait-City geräumt
Riad/Bagdad (dpa/ap/afp) — Flüchtende Iraker und alliierte Truppen, die weiter in schnellem Tempo nach Norden vorstießen, bestimmten am Tag der irakischen Rückzugserklärung das Bild in Kuwait. Während am Dienstag morgen der Beginn des Rückzugs zwischen britischen und französischen Generälen noch umstritten war, gab es wenige Stunden später keinen Zweifel mehr, daß der Rückzug bereits in eine ungeordnete Massenflucht der irakischen Soldaten übergegangen war.
Nach einem Bericht der kuwaitischen Nachrichtenagentur 'Kuna‘ hatten die irakischen Truppen Kuwait-City bereits am Dienstag mittag vollständig verlassen. Kuwaitische Widerstandskämpfer hätten bereits wieder die Kontrolle über die Polizeistationen übernommen und die kuwaitischen Flaggen gehißt. Auch nach Angaben des amerikanischen Militärsenders AFN sollen irakische Verbände am Dienstag mit dem Abzug aus Kuwait-City begonnen haben. Der Sender bezog sich dabei auf kuwaitische Militärs und betonte zugleich, daß es dafür aber keine Bestätigung von anderer Seite gebe. Ein hoher kuwaitischer Offizier sprach sogar von einer „Massenflucht“ des irakischen Militärs. Der Offizier sagte nach Angaben der britischen Agentur 'Press Association‘ am Dienstag mittag in der saudischen Hauptstadt Riad: „Sie benutzen jede Art von Transportmitteln. Sie lassen viele Dinge zurück: ihre Waffenlager und sogar ihre Helme.“
Der Rückzug habe in der Nacht zum Dienstag begonnen. Auch der amerikanische Fernsehsender CNN berichtete, die Iraker eilten so schnell sie könnten aus Kuwait-City Richtung Norden. Sie seien offenbar jedoch von allen Seiten von alliierten Truppen eingeschlossen. Nach dem Bericht blockierten die Alliierten im Süden des Iraks den Rückzug einer Panzereinheit der Republikanischen Garde. Amerikanische, saudiarabische, ägyptische und andere Truppen der Koalition hätten die kuwaitische Hauptstadt umzingelt, hieß es. Nach saudischen Angaben betrug die Zahl der irakischen Kriegsgefangenen bis dahin über 25.000. Offenbar um seinen Anspruch als legitimer Regierungschef Kuwaits zu unterstreichen, verkündete Emir Scheich Ahmed el-Sabah aus seinem saudischen Exil einen Ausnahmezustand für den Golfstaat, der die kommenden drei Monate in Kraft bleiben soll. Sein Sohn, der als Ministerpräsident und Kronprinz fungiert, wurde zum „Generalverwalter des Ausnahmezustandes“ ernannt.
Alliierte Soldaten sollen unterdessen mit Hubschraubern „in kuwaitischen Städten gelandet“ sein, meldete der kuwaitische Exilrundfunk ohne nähere Quellenangabe. Während die verbündeten Truppen in Kuwait und im südlichen Irak vorstießen, um Kuwait abzuriegeln, ging das alliierte Bombardement strategisch wichtiger Stellungen im Irak am Dienstag mittag weiter. Nach Berichten der iranischen Nachrichtenagentur 'IRNA‘ erlebte der Südirak am Dienstag morgen die schwersten Bombardierungen seit Kriegsausbruch. In Washington hieß es inoffiziell, die alliierten Verbände bewegten sich mit großer Geschwindigkeit nordwärts, um die im Süden des Iraks verschanzte „Republikanische Garde“ einzukesseln. Der Ring würde immer enger gezogen, in absehbarer Zeit sei nur noch eine schlecht ausgebaute Straße in Richtung Norden als Fluchtweg für irakische Truppen offen.
Von allen Teilen der Front wurde weiter gemeldet, daß irakische Soldaten in den vorderen Verteidigungslinien teilweise als ganze Einheiten, bis zur Bataillonsstärke, kapitulierten. Iraker, die sich am Dienstag ergaben, hielten Flugblätter der Verbündeten hoch, auf denen ihnen eine gute Behandlung zugesichert wurde.
Im Südirak nahm die 2. Brigade der 82. amerikanischen Luftlandedivision allein Tausende gefangen. Der Kommandeur, Oberst Ron Rokosz, sagte: „Sobald sie uns sahen, zack, gingen die weißen Fahnen hoch. Ihre Moral ist hin. Sie wollen nicht kämpfen... Man kommt über die Hügel, und sie kommen aus ihren Löchern und schwenken eine weiße Fahne. Das ist das Ungaublichste, was ich je gesehen habe.“ Von seinen Leuten habe „nicht einer einen Kratzer davongetragen“.
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