: Am Wohnzimmertisch gemalt
■ Frauke Krahé stellt Bremer Malerinnen des 20. Jahrhunderts vor / Ein Gespräch über ihr neues Buch: „Allein ich will“
“Dem bremischen Ideal von Weiblichkeit kommen die Frauen am nächsten, über die man nicht spricht“, stellte Werner Kloos noch 1965 in einem Almanach über Die Bremerin fest. Demnach müssen die Bremer Malerinnen der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts unbeschreiblich weiblich gewesen sein. Sie wurden, meint die Kulturhistorikerin Frauke Krahé, regelrecht totgeschwiegen, von den Kunstkritikern zu Mauerblümchen gestempelt, von den Galerien weitgehend ignoriert.
Frauke Krahé will den Künstlerinnen postum zu der Bekanntheit verhelfen, die sie ihrer Meinung nach verdienen. Die Ergebnisse ihrer dreijährigen Recherchen hat sie jetzt veröffentlicht. Allein ich will ist der Titel des Buches, ein Faust-Zitat und der Leitspruch der Malerin Anna Feldhusen. Zwanzig Malerinnen der zweiten Worpsweder Generation stellt Krahé vor, darunter so bekannte wie Clara Rilke-Westhoff und Lisel Oppel, aber auch unbekannte wie Dora Bromberger oder Ida C. Stroever.
Durchsetzen konnten sich nach Krahés Untersuchungen nur wenige Malerinnen, trotz gleich guter Ausbildung, Energie und Kreativität wie die männlichen Kollegen. Voraussetzung war, daß sie ihre Lebensbedingungen denen der Männer weitgehend anpaßten: nicht durch Familie gebunden, von der Haushaltsführung durch Freundin oder Verwandte entlastet. Hermine Rothe, verheiratete Overbeck, etwa malte von ihrer Eheschließung bis zu ihrem Tod nur heimlich. Selbst ihre beiden Kinder waren über
Anna Feldhusen: Torfkähne auf der Hamme, Radierung 17 x 23 cmAus dem vorgestellten Buch
rascht von den über 100 Ölgemälden in ihrem Nachlaß. Statt die eigene Arbeit bekannt zu machen
hierhin bitte die
Zeichnung mit den
Torfkähnen
hat sie hingebungsvoll das Werk ihres Mannes betreut.
Die Malerin Erna Bertelsmann
wandte sich nach der Heirat der Porzellanmalerei zu. „Die Porzellane bemalte sie im Wohnzimmer an demselben Tisch, an dem die Kinder Schularbeiten machten“, sagt Frauke Krahé.
Der geringe Bekanntheitsgrad der Malerinnen ist für Frauke Krahé allerdings vor allem „das Ergebnis einer Tradierung von Vorurteilen“, die zum „Ausschluß der Frauen aus Kunstkreisen“, fehlender Öffentlichkeit und mangelnder Rezeption geführt hat. Bei Kollektivausstellungen wurden die Künstlerinnen erst ganz hinten erwähnt, nachdem die Kollegen ausgiebig abgefeiert waren. Als die mittlerweile 63jährige Malerin Toni Elster auf einer Ausstellung in der Kunsthalle 1924 überraschend 22 Bilder verkaufte, konnte der Rezensent der Bremer Nachrichten kaum fassen, „daß so viel Können so lange verborgen blieb“. Damals malte sie immerhin schon seit 25 Jahren.
Hart ins Gericht geht Krahé mit der Ankaufspolitik der Bremer Kunsthalle: Der renommierte Bremer Kunsttempel besitzt zwar einzelne Werke von Dora Bromberger, Olga Cordes, Elisabeth Noltenius oder Margarete von Reineken, angekauft wurde jedoch der kleinere Teil, meist handelt es sich um Stiftungen oder Schenkungen, die im Depot verstauben, weil auch nach heutiger Meinung der Kunsthalle einer Öffentlichen Präsentation nicht würdig.
Krahés Buch gibt im ersten Teil einen gut lesbaren Überblick über Lebens- und Arbeitsbedingungen der Künstlerinnen. Teil zwei enthält kurze Biographien und Werk-Abbildungen. Erschienen ist Allein ich will im Simmering- Verlag, Lilienthal. asp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen