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Konkurs ganz knapp abgewendet

■ Schonfrist für „Innovative Arbeit“ / DPWV-Krisenstab soll sanieren

Die Firma „Innovative Arbeit“ muß zumindest kurzfristig keinen Konkurs anmelden. Gestern am späten Nachmittag war die Zitterpartie erst einmal überstanden: „Dank der Bereitschaft des Senators für Arbeit und vor allem der Sparkasse gibt es jetzt eine Chance auf Weiterbeschäftigung für die Mitarbeiter“, erklärte nach der entscheidenden Nachmittags-Sitzung Albrecht Lampe, Geschäftsführer des Dachverbandes „Paritätischer Wohlfahrtsverband“ (DPWV), der taz. Lampe hatte vorgeschlagen, aus den eigenen Reihen einen unabhängigen und kompetenten Krisenstab aus Wirtschaftsprüfer, Steuerrechtler, Rechtsanwalt und DPWV-Vetreter zu beauftragen, für das Unternehmen echte Bilanzzahlen zu errechnen und ein Sanierungskonzept auszuarbeiten. Der Vorschlag wurde als letzte Rettung von den senatorischen Ressorts und den Gesellschaftern angenommen.

Das völlig verschuldete Unternehmen (vgl. ausführlich taz v. 28.2.91). stand gestern bis in die Abendstunden noch am Rande des Konkurses. „Innovative Arbeit“ ist ein Beschäftigungsprogramm für sozial Benachteiligte, die, ABM-und §-19-finanziert, mit Altpapier- und Altkleidersammlungen in Lohn und Brot kommen und schließlich ein rentables Unternehmen auf die Beine stellen sollten. Ohne Vorankündigungen war plötzlich von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die Rede. Wie groß die Schuldensumme ist, ist noch unbekannt. 647.000 Mark Schulden hatte der DPWV-Wirtschaftsprüfer vor wenigen Tagen für 1990 errechnet.

Konkurs muß angemeldet werden, wenn eine Firma zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Gestern sorgten Arbeits-, Umwelt- und Sozialsenator dafür, daß wieder Bares auf die Konten der GmbH kommt, und überwiesen trotz der desolaten Unternehmenslage Gelder für ABM-Stellen, Komplementärmittel und einen Abschlag für die Altpapiersammlungen, die „Innovative Arbeit“ im ersten Quartal durchgeführt hatte und auf dem Markt nicht verkaufen konnte. „Das ist Geld für erbrachte Leistungen“, erklärte Bernd Pollmeyer für den Arbeitssenator. Damit ist für wenige Wochen Zahlungsfähigkeit garantiert. Weil die senatorischen Stellen Geld hatten fließen lassen und dazu ihren politischen Willen bekundet hatten, die Firma auf Herz und Nieren zu überprüfen und möglichst zu sanieren, sagte die Sparkasse schließlich zu, die Gehaltsschecks einzulösen. Zum Thema Schuldenregulierung signalisierte als Hauptgläubiger der Arbeitssenator Verhandlungsbereitschaft. Die Gesellschafter der maroden GmbH (70% „Arbeit e.V.“, 30% Rotes Kreuz) verzichten erstmal auf Konkursantrag und hoffen auf das Großreinemachen durch den Krisenstab. Daß die alten Geschäftsführer Welchner und Ronneberg auf den Posten bleiben, wird für unwahrscheinlich gehalten. „Schwere Management-Fehler“, so Pollmeyer, hätten die Gesellschafter konstatiert. Beide Chefs sind keine Betriebswirte, sondern Sozialpädagogen.

Vollmundig hatte die Geschäftsführung am Vormittag auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung der Belegschaft viel zu früh und noch ganz ohne Absicherung erklärt: „Heute abend gibt es Schecks.“ Daß die vielleicht nur ihr Altpapier wert wären, erwähnten Welchner und Ronneberg lieber nicht. „Stark persönlich betroffen“ fühlte sich Joachim Ronneberg vor allem aus einem Grund: „Ich weiß, daß sie mich zum Teufel jagen werden.“ Er redete davon, „die Menschen über den Berg zu bringen“ und „zu helfen“. Albrecht Welchner gestand nur eins ein: „Ich kannte das Zahlenmaterial nicht.“ MitarbeiterInnen der Firma waren sauer. Der Betriebsrat war als letzter und von Kollegen über die drohende Pleite informiert worden: „Normalerweise ist das umgekehrt.“ MitarbeiterInnen erklärten, sie hätten von der Geschäftsführung, außer dem protzigen Schild am Haus, „nie was gesehen“. Dafür seien aber zahlreiche Auslandsreisen nach London, Ungarn, Schweden und nach Rostock angesagt gewesen. bz / S.P.

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