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Notenstift mit dem Intendantensessel getauscht

Udo Zimmermann ist ein Jahr Intendant an der Leipziger Oper/ Zur 300-Jahr-Feier der Oper Wagners „Ring“  ■ Aus Leipzig Sigrid Kühn

Einen hohen Berg Arbeit, den es zu bezwingen gilt, sieht er nach einjähriger Amtszeit noch immer vor sich — Prof. Udo Zimmermann, Komponist mit internationalem Renommee (Die weiße Rose) und seit 1. März 1990 Intendant der Oper Leipzig. Aber es reizte ihn, das Opernhaus wieder voll ins Bewußtsein der Bürger zu rücken und zu einem anziehenden Theater von europäischem Rang zu machen. Dafür sei er, wenn auch vorübergehend, bereit, Stift und Notenblätter mit dem Intendantensessel und einem Zwölfstundentag zu vertauschen.

Mehrere wichtige Entscheidungen traf Udo Zimmermann in seiner kurzen Amtszeit als Intendant, Entscheidungen, die in der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Umbruchphase wichtig für die Zukunft der Oper insbesondere und des Leipziger Kulturlebens ganz allgemein waren.

Am 1. Januar dieses Jahres übernahm er die Fachschule für künstlerischen Tanz, die auf der Abwicklungsliste stand, in die Obhut der Oper. Zu dieser Zukunftsinvestition kommt im Herbst noch eine weitere: Zimmermann gründet die erste deutsche Opernschule in Leipzig. „Eine Ersparnis für die Zukunft“ nennt er die Einrichtung, deren Notwendigkeit er vor den Stadtvätern, die das Geld locker machen sollen, stichhaltig begründen müsse. Die Opernschule gehöre zu den Intensionen eines Ensembletheaters, das man nicht mit der mittleren, von Opernhaus zu Opernhaus reisenden Sängergeneration, die zudem viel zu teuer sei, verwirklichen könne. Denn „Musiktheater“ im besten Felsensteinschen Sinne will er machen, „wo man sieht, was man hört, und hört, was man sieht“.

Eine weitere wichtige Entscheidung war nach Auflösung des „Theater-Kombinats“ — vier Bühnen unter einer Intendanz — die Übernahme der Musikalischen Komödie. Diese „Rostkutsche“, in die 30 Jahre lang nichts investiert worden sei, obgleich das Geld dafür vorhanden war, könne nur gerettet werden — baulich und künstlerisch —, wenn sie zur Oper gehöre, begründete Prof. Zimmermannn seine Entscheidung.

„Hochstapelei“ hat man dem Intendanten zuweilen vorgeworfen. Er nennt es „Überblendung“, womit er versucht, auf die Leipziger Oper, das nach München und Hamburg drittgrößte Opernhaus Deutschlands, aufmerksam zu machen. Denn schnelle Hilfe war bitter nötig, sollten angesichts des notorischen Geldmangels in den neuen Bundesländern jahrhundertealte sächsische Kulturtraditionen, zu denen auch Gewandhaus und Thomanerchor in Leipzig, Semperoper, Kreuzchor und Staatskapelle in Dresden zählen, nicht dem Niedergang anheimfallen. Lethargisches Abwarten, wie man es jetzt vielerorts in der Ex-DDR beobachten könne, sei der Tod von Kultur und Kunst.

Die Konzeption für die nächsten drei Jahre, also bis zum „Jubiläumsjahr“ 1993, ist im wesentlichen klar. Zur 300-Jahr-Feier der Oper sollen Wagners Ring, ein Zyklus des Franzosen Jean-Philippe Rameau sowie ein Mozart-da-Ponte- Zyklus inszeniert werden. Götz Friedrich übernimmt die erste szenische Umsetzung der Faust- Szenen von Robert Schumann. Weiter sind Aufführungen neuer Opern europäischer Komponisten vorgesehen. Bekannte Regisseure und Dirigenten seien verpflichtet worden, darunter Ruth Berghaus und die Kapellmeistersöhne Peter Konwitschny und Ferenc Fricsay.

Eigene Werke will Prof. Udo Zimmermann nicht an seinem Haus inszenieren. Seine Don Quijote-Oper mit Texten von Christoph Hein wird 1992 an der Berliner Lindenoper uraufgeführt. Das Leipziger Publikum wird sie in einem Gastspiel kennenlernen. adn

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