: Palästinenser prophezeien Pax Americana
Reaktion der linken jordanischen und palästinensischen Gruppen auf den Waffenstillstand im Irak ■ Aus Amman Karim el-Gawhary
Für die USA ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem sie ihre Pläne in der Region massiv durchsetzen, so die einhellige Meinung aller linken Gruppen und Parteien in Jordanien. Ein Ziel sei es von Anfang an gewesen, den Irak zu zerstören und die Region neuzuordnen, erklärten ihre Vertreter übereinstimmend.
Auch an eine gerechte Lösung des Palästinenserproblems seitens der USA glauben sie allesamt nicht. „Das ist alles propagandistisches Gerede“, winkt Abdel Rahman Milouh, ein Vertreter der Volksfront zur Befreiung Palästinas und Mitglied im Zentralkomitee der PLO, ab. „Daß sie nicht bereit waren, die Palästinafrage mit der Kuwaitfrage zu verbinden, um einen Krieg zu verhindern, zeigt, daß sie nicht an einer gerechten Lösung interessiert sind“, schließt er an. Auch sein Kollege von der Demokratischen Front, Mansur Murat, ist da skeptisch: „Jetzt, da sie meinen, daß in Zukunft in der Region alles einfach nach ihrem Willen zu regeln sei, werden sie dieses Problem erst recht nicht im Interesse der Palästinenser beilegen“, meint der Parlamentsabgeordnete. Der beste Beweis ist für alle die massive Aufrüstung Israels in den letzten Monaten. „Die PLO wird in Zukunft von allen internationalen Konferenzen ausgeschlossen werden“, prophezeit Yahub Ziadin, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Als ein Kernstück der zukünftigen US-Pläne sehen sie den Versuch, die PLO als politische Kraft auszuschalten.
Dabei falle das besondere Augenmerk der USA auf Jordanien. Das Königreich solle der neue Sprecher der Palästinenser oder gar ein Ersatzstaat für Palästina werden. Das scheint für die meisten Linken die größte Bedrohung des jordanischen Staates und der Palästinenser zu sein.
Die Palästinafrage stand auch im Zentrum einer Rede, mit der sich König Hussein am Donnerstag nachmittag zum ersten Mal seit der Verkündung der Waffenruhe meldete. Er erwähnte dabei zwar das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, nicht aber explizit die Forderung nach einem palästinensischen Staat. Der interessanteste Satz dieser Ansprache lautete: „Wir möchten der ganzen Welt versichern, daß Jordanien gegenüber allen seine Waffen niederlegen wird, die den Wunsch haben, freundliche Beziehungen bei gegenseitigem Respekt und Kooperation aufzubauen“ — eine Andeutung, die von Palästinensern als ein deutliches Angebot an die Adresse Israels gewertet wurde.
„Die arabische Position ist zwar schwächer geworden, aber nicht so schwach, daß man alle amerikanischen Pläne unterzeichnen wird“, meint Al Zabri. Daß es viele Veränderungen geben wird, da sind sich alle Linken in Jordanien einig. Noch nie waren die arabischen Völker aus ihrer Sicht so einig im Kampf gegen die kolonialen Neuordnungspläne des Westens, die dieser Krieg offengelegt habe. „Die zivilen Toten des Bunkers in Bagdad werden wir nicht vergessen“, ist oft zu hören. In Marokko demonstrierte eine halbe Million Menschen, in Algerien gab es noch am Mittwoch eine Solidaritätsdemonstration für den Irak. In Ägypten revoltierten die Studenten in Anspielung auf die Ermordung Saddats mit dem Ruf: „Mubarak, die Tribüne wartet auf Dich!“
Auch in den Golfstaaten entstehen neue Bewegungen. Schon einen Tag nach der Ausrufung des Kriegsrechts meuterte die kuwaitische Opposition gegen diesen Schritt. Diese Bewegungen seien die beste Garantie gegen die amerikanischen Neuordnungspläne, bewerten nahezu alle Vertreter der linken Gruppen in Jordanien die Situation. In der arabischen Welt habe es immer politische Überraschungen gegeben, blickt Milouh zurück: „Nach dem Suezkrieg 1956 folgte eine starke arabische Bewegung unter Gamal Abdel Nasser; nach der großen Niederlage 1967 gegen Israel entstand die PLO — warten wir ab, was nun passiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen