: „Parteiegoismus ist umweltschädlich“
Sachsens Bündnis 90/Grüne sammelt Stimmen für Sondersitzung des Landtages/ Wo ist das Energiekonzept? ■ Aus Dresden Detlef Krell
Konzeptionslos wurstelt die sächsische Landesregierung vor sich hin. „Sie warten auf ein Wirtschaftswunder und wir erwarten grundlegende Ideen zur Veränderung des wenig Verwunderlichen“, warf Cornelia Matzke (Bündnis90/ Grüne) dem Ministerpräsidenten vor. Jetzt strebt die Fraktion eine Sondersitzung im Landestag zur Strukturpolitik an. Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Michael Weber hofft, genug Stimmen dafür zu bekommen. Seine Fraktion hat gemeinsam mit dem Institut für System- und Innovationsforschung der Frauenhofer-Gesellschaft Karlsruhe eine Studie zur Infrastruktur der Wissenschaft und Wirtschaft erarbeitet und allen Fraktionen sowie dem Kabinett als Grundlage für die Diskussion überreicht. Kern der Studie ist die Regionalentwicklung im Raum Leipzig als Modell für Sachsen. Ein europäisches Zentrum für angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung sollte wissenschaftliche Kompetenz in den Aufbau eines regionalen Netzes von Dienstleistungen für Technologie, Qualifizierung, Unternehmensberatung, Kontakte und „wirtschaftsnahe“, öffentliche Dienstleistungen einbringen. Nicht nur ein wirtschaftspolitischer Fahrplan, auch ein Umwelt-, ein Energie- und Verkehrskonzept fehlen bislang im Freistaat Sachsen. Der Umweltausschuß ist darüber verstimmt, daß er sich zwar mit der Formulierung der Öko-Paragraphen für die sächsische Verfassung befassen darf, aber bei aktuellen Entscheidungen wie dem mit Umweltminister Töpfer vereinbarten Programm „Ökologischer Aufbau“ vor der Tür warten muß. Ausschußvorsitzender Helmar Hegewald (Linke Liste/PDS) hält es für die Pflicht der Regierung, den ökologischen Umbau des Landes über die Grenzen der Ressorts hinaus zu behandeln. Davon war bisher nichts zu spüren. Erst auf einer von der SPD beantragten Debatte kamen „Umweltschutz und Zersiedlung“ zur Sprache und, so Maika Voigt (SPD), „längst überfällige Gesetzesinitiativen“ in Gang. Eine „Große Anfrage“ über ein „sozial und ökologisch verträgliches Energiekonzept“ hat inzwischen die Fraktion Linke Liste/PDS an die Staatsregierung gestellt. Sie will erzwingen, daß neben einem Energiekonzept auch die Vernetzung mit der Energiepolitik in der CSFR, in Polen und den Bundesländern, der Einsatz von Kernenergie, Erfahrungen mit dem saarländischen Energie-Mix und die Beteiligung der sächsischen BürgerInnen debattiert werden.
Von der Funkstille im Kabinett ist nicht nur die Opposition betroffen. Für Karl Mannsfeld (CDU) ist es unverständlich, daß die bereits im vergangenen Jahr vom Landesvorstand seiner Partei vorgelegte „Grüne Charta“ offensichtlich im Ministerium seines Parteifreundes Karl Weise keine Rolle spielt. „Ein neues Konzept braucht nicht erarbeitet werden, das Ministerium müßte nur sagen, wie sie dieses Papier umsetzt.“ Die katastrophale Umweltsituation in Sachsen und der Druck, Investoren anzusiedeln, verlange schnelle Entscheidungen. Im Umweltausschuß werde eine „konstruktive Zusammenarbeit“ praktiziert, die sich an den Sachverhalten orientiert und nicht an parteipolitischen Grenzen. „Parteienegoismus ist umweltschädlich“, beschreibt Helmar Hegewald das Arbeitsprinzip seines Ausschusses.
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