Ein angeklagter Museumsdirektor wird zum Kläger

■ Verschwundene Kunstgegenstände aus dem Rostocker Kulturhistorischen Museum haben den Direktor und seinen Vorgänger ins Gerede gebracht

Rostock. Verschwundene Kunstgegenstände aus dem Rostocker Kulturhistorischen Museum haben seinen Direktor Wolf Karge und dessen 1987 aus dem Amt geschiedenen Vorgänger Werner Schäfer ins Gerede gebracht. Als Karge vorgeworfen wurde, im Museum seien in der Vergangenheit wertvolle Kunstgegenstände auf merkwürdige Weise abhandengekommen, dementierte er seine eigene Beteiligung. Auch Schäfer habe seines Wissens nichts damit zu tun. Es sei ihm wohl bekannt, daß in den 50er und 60er Jahren allerhand aus dem Museumsfundus verschwunden sei. Die Verantwortlichen kenne er jedoch nicht. Für die neuerlichen Vorwürfe gegen ihn und Schäfer, die zum Teil auch aus den eigenen Reihen kommen, findet Karge kaum eine Erklärung: „Es mag sein, daß einige Mitarbeiter meinen, ich könnte etwas von ihrer früheren ,Nebentätigkeit' (Stasi) wissen und sie nun nach der Methode ,Haltet den Dieb' verfahren, um sich selbst aus der Schußlinie zu bringen. Es könnte aber auch sein, daß ich nur als vorgeschobener Spielball für Manipulationen weit größeren Ausmaßes, die sich meinem begrenzten Museumshorizont entziehen, mißbraucht werden soll.“ Schäfer, der bereits zu Beginn der 80er Jahre ins Gerede kam, fehlt die Gelassenheit seines Nachfolgers. „Es ist ungeheuerlich und paradox, mir zu unterstellen, daß ich mit illegalem Kunsthandel, Diebstahl oder ominösen Tauschgeschäften zu tun hatte. Andersherum wird ein Schuh draus. Als ich Direktor wurde, war ich entsetzt über die Schlamperei, die im Museum herrschte.“ Er habe erst einmal aufgeräumt, sagte Schäfer in einem 'dpa‘-Gespräch. Und oft genug sei er mit seiner Kritik angeeckt, beispielsweise, als er einen Beschluß aus dem Jahre 1970 zur Profilierung der Rostocker Museen als „Deformierung“ betitelte. „Die Sauereien, die ich seinerzeit aufgedeckt habe, waren nur durch solche Beschlüsse möglich, die praktisch das Kultur- zum Freigut erklärten. Die damalige Obrigkeit hat es nicht selten für eigene repräsentative Zwecke mißbraucht.“ Bei seinem Amtsantritt 1976 erarbeitete Schäfer zunächst eine Zustandsanalyse des Museumsfundus'. Es sei so gut wie keine Katalogisierung und Inventarisierung vorhanden gewesen. Die im Speicher gelagerten Kunstgegenstände seien auch konservatorisch der Vernichtung preisgegeben gewesen. Nicht zuletzt fehlte die Sicherung des wertvollen Guts. Altinventarbüchern aus den 20er Jahren entnahm er teilweise, was inzwischen fehlte. Mit Hilfe der Polzei suchte und fand er einiges: so in einem Privathaushalt einen kostbaren Barockspiegel mit Museumsregistriernummer, der offensichtlich von einem Mitarbeiter entwendet und verkauft worden war. Einen fünfarmigen Messingleuchter aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts spürte Schäfer im Rostocker „Hochzeitsausstatter“ auf. Er war ohne Leihvertrag aus dem Haus gegeben und dann „vergessen“ worden. Im Rostocker Volkstheater wurden historische Hieb-, Stich- und Schußwaffen entdeckt, auch „Leihgaben“ ohne Vertrag. Schäfers „Abgang“ aus Rostock nach Berlin war kein rühmlicher. „Vergessen ist heute, daß ich den Ausbau des Klosters zum Heiligen Kreuz als neue Stätte des Kulturhistorischen Museums in die Wege leitete und bis zur totalen Erschöpfung die Beendigung vorantrieb“, klagte Schäfer, der inzwischen im hauptstädtischen Institut für Museumswesen Fuß gefaßt hat. Gegen die erneuten Anschuldigungen werde er sich heftig zur Wehr setzen und die eigentlich Verantwortlichen zu gegebener Zeit auch beim Namen nennen, kündigte der Historiker an. Rostock sei nur ein winzig kleines Kapitel im großen Kunstschwindel der ehemaligen DDR. Mit seinen Kenntnissen könne er Bände füllen. Frauke Kaberka/dpa