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Rohre müssen immer gebaut werden

■ Hoffnungen und Sorgen eines Mittelgroßen/ Ludwigsfelder Rohrleitungsbauer auf dem Weg in die Marktwirtschaft

Ludwigsfelde. Wer sich auf den Baustellen und in der Geschäftsleitung der Rohrleitungsbau Ludwigsfelde GmbH umsieht und umhört, bei dem entsteht der Eindruck, diesem Unternehmen stehe eine rosige Zukunft bevor. Manager der Firma sagen, hier bietet die Belegschaft eines mittleren Unternehmens dem scharfen Wind der Marktwirtschaft erfolgreich Paroli, will die GmbH ihren Platz als erfahrener Partner vieler Investoren behaupten. Fast beschwörend ist immer wieder zu hören: Jeder Boom in Industrie und Bauwirtschaft brauche Rohrleitungsbau. »Wir haben schon Bestes geleistet in der Zeit der Improvisationen. Mit Qualität und Zuverlässigkeit wehren wir uns gegen Versuche, uns auszubooten.« Die Ludwigsfelder Rohrbauer haben schon erste Erfahrungen mit den Regeln der Marktwirtschaft gesammelt. Und die waren sehr unterschiedlich auf zwei Baustellen, die nur wenige Kilometer entfernt voneinander liegen.

Industriegelände Potsdam: »Alles Bier, das aus der modernen Potsdamer Brauerei kommt«, so erzählt der Montageleiter Walter Hötzel, »geht durch Rohre, die wir erst seit 1977 nach westlichem Standard in diesem Neubau verlegt haben. Wie ich weiß, ohne Beanstandung.« Und doch kam dort im Januar für die Ludwigsfelder das Aus. Nicht etwa, weil dort kein Bier mehr gebraut wird. Im Gegenteil. Mit der neuen Biermarke kamen ins Potsdamer Biergeschäft auch neue Partner der Rohrleitungsbranche. So etwa eine neue Biermarke aus der nahen Hauptstadt. Innerhalb weniger Tage hatten die Ludwigsfelder die Brauerei zu räumen. Dabei gab es auch Aufträge. So muß ein neuer Abfüllkeller gebaut werden. Aber nun ohne den alten Partner.

Kläranlage Stahnsdorf: »Hier sind wir gefragter Partner«, berichtet Hubert Josche, der mit seinen 15 Spezialisten gern an dieser Anlage aus den 20er Jahren arbeitet. Es war Zeit, sie zu modernisieren. Täglich sind hier etwa 130.000 Kubikmeter Abwasser aus Stahnsdorf und Teltow, aber auch aus Zehlendorf und Charlottenburg aufzubereiten. Aus dem Faulschlamm wird Butan gewonnen, ein begehrtes, billiges Gas für Heizwerke. Ein solches ist geplant und soll die umliegenden Abnehmer umweltfreundlich versorgen, denn im Gegensatz zur Kohle bleibt bei der Butanverbrennung der Luft manches erspart. Den notwendigen Gasverdichter haben die Ludwigsfelder schon fertig. Eine Gebläsestation ist jetzt in Arbeit. Sie wird Sauerstoff in die Klärbecken blasen, unabdingbar für die biologische Reinigung: Das so behandelte Wasser wird im Teltowkanal sogar den Fischen bekommen, wissen die Rohrleger zu berichten. Sie bauen darauf, daß gerade für den Umweltschutz in den kommenden Jahren viel zu tun sein wird — und rechnen mit Aufträgen, weil sie sich mit ihrem Können Chancen ausrechnen.

Aber auch das war zu hören: Der TÜV mache Schwierigkeiten. Er will dem Unternehmen nicht mehr wie bisher bei dessen Leistungen in den alten Bundesländern die höchste Klassifikation zuerkennen. »Wir können doch wohl nicht verlernt haben, was wir zuvor in Frankfurt/ Main und in West-Berlin gekonnt haben?« Die Rohrleitungsbauer aus der Industriestadt im Süden Berlins haben tatsächlich in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrungen sammeln können als Geschäftspartner altbundesdeutscher und französischer Firmen. Sie bauten am Main und in West-Berlin. Sie errichteten zusammen mit westlichen Unternehmen das Gasturbinenwerk im märkischen Thyrow und waren beteiligt an der Leitung für Benzin und Heizöl zwischen Schwedt und Rostock. Da sei doch, beharren die Ludwigsfelder heute, höchstes Können bewiesen worden.

Immerhin: Beim Umstieg in die Marktwirtschaft scheinen sich diese Kontakte nun doch auszuzahlen. Heute ist die frühere Zusammenarbeit mit den Westfirmen ein wichtiges Standbein der Ludwigsfelder. Mit seinen 25 Bauteams ist das Unternehmen im Geschäft mit weiteren neuen Firmen aus Heidelberg, Hamburg, West-Berlin, Essen und Düsseldorf. Dagegen haben etliche alte Kunden in den neuen Bundesländern in Ludwigsfelde Schulden. Geschäftsleiter Harald Leek, zuständig für den kaufmännischen Bereich, nennt Summen zwischen 625.000 und 1,2 Millionen Mark. Weil dieses Geld für gute Arbeit nicht kam, mußte mit Treuhandbürgschaft ein Kredit aufgenommen werden. Der kostete im zweiten Halbjahr 1990 schon rund 40.000 Mark Zinsen. Im Klartext: Sechs Rohrleitungsbauer haben nur für diese Zinsen gearbeitet.

Seit Sommer 1990 verwirklicht das Unternehmen allerdings auch ein Sanierungskonzept, mit dem tiefgreifende Veränderungen eingeleitet wurden. Waren zuvor nur 48 Prozent der Beschäftigten gewerblich tätig, arbeiteten also auf den Baustellen, so sind es heute zwei Drittel. Und die anderen, die im Einkauf, Verkauf, in der technischen Vorbereitung sowie als Hilfskräfte arbeiten, leisten heute notwendige Hilfe für die Arbeit vor Ort. »Die Aufträge müssen auch bei uns mit weniger Mitarbeitern geschafft werden. Aber anders, haben die Ludwigsfelder schon gelernt, können sie im Marktwettbewerb wohl nicht bestehen.« Harald Leek berichtet erfreut: »Wir haben aber zusammen mit dem Betriebsrat soziale Varianten gefunden, die nur wenige Härten bringen.« Er nennt Zahlen. Wenn im Juli der tarifliche Kündigungsschutz ausläuft, werden im Unternehmen 172 weniger beschäftigt sein als noch ein Jahr zuvor. Aber nur 83 Kollegen arbeiten heute kurz. Andere wurden vermittelt, gingen in den Vorruhestand oder wurden Rentner. Nur wenige allerdings suchten sich selbst anderswo Arbeit. Vor allem in den eingespielten Bautrupps sind die Jungen wie die Alten, viele mit jahrzehntelanger Erfahrung, geblieben. Sicher ist gerade in dieser Branche das jahrzehntelange Zusammenspiel in den Trupps, variabel und gut alle Arbeiten auch ausführen zu können, wichtige Grundlage für die Zukunft. Auch in den nächsten Jahren will die Ludwigsfelder GmbH Kraftwerke, Fernheizanlagen, Leistungen für die chemische sowie für die Elektro- und Elektronikindustrie und ein breites Angebot für die kommunale Infrastruktur im Programm haben. »Unser Eindruck von dem in der Landesregierung Brandenburg Gesagten bestätigt uns in unseren Bemühungen, vor allem für die Städte und Gemeinden akzeptable Angebote zu machen«, bekräftigen die beiden weiteren Geschäftsführer Helmut Salzwedel und Bernd Kersten. Sie erwarten von der Landesregierung allerdings auch solche Rahmenbedingungen, die ihnen zumindest gleiche Chancen einräumen. Den Heimvorteil, Kenntnisse über Kommunen und Betriebe im Land, will man schon selbst einbringen.

Montageleiter Walter Hötzel: »Wir wollen nicht auswandern. Dann sollen aber die Auftraggeber mit ihren Aufträgen auch nicht auswandern.« Harald Leek: »Noch haben unsere Bemühungen nicht dazu geführt, daß die Auftragsbücher voll sind bis Jahresende. Sie bieten aber schon die Grundlage, geplante Umsatzgrößen zu erreichen und damit das Ziel, das Wirtschaftsjahr 1991 mit schwarzen Zahlen abzuschließen.« Klaus Jorek

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