: Hildegund vom Fußballbund
Im Stadion „Kammgarn“ in Kaiserslautern erblickt der Mensch dank einer fußballerischen Theaterrevue noch bis Ende März das Flutlicht der Welt ■ Von Günther Rohrbacher-List
Kaiserslautern (taz) — Der Stachel saß tief bei den Kaiserslauterer Kulturmachern in der „Kammgarn“, einer ehemaligen stillgelegten Spinnerei. Da kam vor Jahresfrist ein alternder Trainer, Name: Karlheinz Feldkamp, aus dem ägyptischen Exil zurück in die Pfalz und diktierte frech dem 'Stern‘: „In dieser Gegend gibt es nicht so viel Kultur. Dafür haben wir aber Fußballkultur.“ Nun sind Pfälzer sowieso schon ständig Zielscheibe gewisser Ver-Kohl-ungen, und dann auch noch das...
Eine Idee brach sich Bahn. Das alte Spinnrad kreiste noch mal und gebahr einen roten Faden. Wo alle Aufmerksamkeit auf den Berg gerichtet ist, vor dem selbst Paul Breitner kampflos kapitulieren wollte („Dahin können wir die Punkte per Post schicken“), war von Anbeginn klar, daß die erste Eigenproduktion des Hauses sich um den Fußball drehen mußte. Von wegen „Fußball- Kultur“ — Fußball und Kultur.
So entstand zur Musik von Thommy Westrich und aus der Feder des Kurpfälzer Kabarettautors Wolfgang Marschall die musikalisch-satirische Revue Elf Freunde oder Wie der Mensch das Flutlicht der Welt erblickte, ein dreißig Szenen umfassendes Potpourri aus ollen Kamellen (Die Angst des Torwarts vorm Elfmeter), Tabuthemen (Sex sportive) und Alltäglichem von den Fußballfeldern (Hooligans, Transfers, Trainerleid, usw.).
Stilecht ist das Drumherum des 90.000-D-Mark-Spektakels. Markus Vogelbacher (Diese Drombuschs, Teil X), Martin Beck aus Wien und der „local heroe“ Sven Lademann spielen mit der Hamburgerin Angela Pfützenreuter (Ich bin die Hildegund vom Fußballbund), agierend zwischen Originalbandenwerbung ortsbekannter Sponsoren, immer wieder unterbrochen von einschlägigen Werbespots (Das Bier für den Mann im Mann).
Die anvisierten zweimal 45 Minuten werden allerdings weit überschritten, ohne Protest versteht sich, man spielt sich gar freundlich die Bälle zu. Über allem schwebt das grüne Fangnetz gegen schiedsrichterfällende Feuerzeuge und so. Professor Umbach läßt grüßen, verhütet den Abbruch.
Zur Premierenveranstaltung hat der regionale Fußballmonopolist 1.FCK gleich zwei komplette Sitzplatzreihen aufgekauft. Der ewig lächelnde Präsident, eingerahmt von seinen Helfershelfern, zeigte auch nach dem Stück noch schön seine Beißerchen, ohne allerdings erkennen zu lassen, ob er sich denn gut oder aber gar nicht amüsiert hatte.
Doch wenigstens einmal muß er sich gefreut haben, nämlich über Markus Vogelbachers Nachruf auf den verkannten, weil unbequemen Fußballvirtuosen Wolfram Wuttke, den Vizepräsident Geye nach Katalonien zu Espanol Barcelona verfrachtete. Aber mental läuft nix ist ein Abgesang auf den krummbeinigen Unruhestifter, dem in der Pfalz heute keiner mehr eine Träne nachweint.
Einen Großeinsatz des 1.FC Kaiserslautern an diesem Abend verhinderte der Deutsche Fußball-Bund mit seiner Spielplanung. Die gesunden Kicker weilten bereits in Frankfurt. Einzig Frank Lelle war live dabei, fand's „toll, fetzig, rockig“. Allen voran Angela Pfützenreuter, bei deren Gesangseinlagen man sich bei einem Rockfestival wähnte. Was dem Programm gänzlich fehlt: Lokalpatriotismus, Lobhudelei, „Götzenberg“-Verehrung — „Kammgarn“ sei Dank.
Sven Lademanns Ausflug in die Lauterer Kommunalpolitik zeigte zugleich Verknüpfungen und Verstrickungen von Verwaltung und Verein in der Stadt, die gerade zu Zeiten des geplanten Tribünenumbaus am Betzenberg nicht uninteressant sind. Zum Glück war es dunkel im Kasino, so daß man nicht immer der Nachbarn Regungen registrieren konnte. Vor allem bei den harten Themen dürfte so mancher Augen oder Ohren verschlossen haben. Vor allem beim Bayern-München-bezogenen Am Abend vor dem wichtigen Spiel meldete sich der Big Brother DFB prompt zur Stelle: „Pfui, Schweinerei!“
Oder bei Pfützenreuters Interview als NDR-Reporterin Hiltrud Werfelmeier-Müllerbeck im Bundeszentrum für „Nationale Torwartabhärtung“, eine Anspielung auf kastenhütende Monster. Dort umschreibt satirisch Doktor Fritz Mabuse, der fußballärztliche Folterknecht, sein unethisches Fernziel: Ein ausbaufähiges Basisfeindbild, die fleischgewordenen Projektion aller deutschen Sekundärtugenden, ein hartschlägiger Dumpfdödel mit dem Gemüt eines Bullterriers. Wie er das erreicht will? Ganz einfach — zehn Stunden lang Rijkaard gegen Völler in Zeitlupe, dazu die deutsche Nationalhymne.
Die Revue Elf Freunde oder Wie der Mensch das Flutlicht der Welt erblickte wird im März ausschließlich in Kaiserslautern gespielt. Für die im Mai geplante Tournee durch das Saar- und Rheinland sind einige Änderungen notwendig, wo es um lokale Belange geht. Aber das ist selten.
Termine im März: Kulturzentrum „Kammgarn“, Schönstraße 1, 6750 Kaiserslautern, am 9.-13., 18.-20., 23.-27. März.
Tournee im Mai: in Saarbrücken, Homburg, Koblenz, Trier und Ludwigshafen.
Kartenbestellung: Universitätsbuchhandlung „Gondrom“, Tel.: 0631/65070.
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