: Flucht aus Albanien
■ Die Hoffnung auf Visa treibt Tausende vor die westlichen Botschaften in Tirana / Täglich erreichen immer mehr Albaner Italien über den Seeweg/ Griechenland verstärkt Bewachung seiner Grenzen
Belgrad/Ioannina/Brindisi (afp)— Vor den Botschaften in Tirana haben sich am Mittwoch Tausende Albaner versammelt, um auf diesem Weg ihr Land verlassen zu können. Wie ein Journalist aus Albanien gegenüber 'afp‘ in Belgrad erklärte, feuerte die Polizei Schüsse in die Luft ab, um die etwa 3.000 Menschen zu zerstreuen, die die Skanderbergstraße belagern, wo der Großteil der diplomatischen Vertretungen untergebracht ist. Verletzte gab es den Angaben zufolge dabei nicht. Grund für die Schüsse seien Versuche der Menge gewesen, den Polizeikordon zu durchbrechen und die Botschaften zu stürmen. Sie seien Gerüchten gefolgt, wonach Visa an alle Ausreisewilligen ausgegeben werden sollen. Bereits vergangenen Sommer war Tausenden sogenannten Botschaftsflüchtlingen die Ausreise gestattet worden, nachdem sie sich Zutritt zu den Botschaften verschafft und längere Zeit dort ausgeharrt hatten. Während viele Menschen auf dem Seeweg nach Süditalien unterwegs sind, flohen in den vergangenen 24 Stunden auch zehn Albaner, darunter ein Soldat, über die streng bewachte Grenze nach Griechenland. Seit dem 1. Februar verließen somit 3.650 Albaner — 1.516 davon griechischstämmig — auf diesem Weg das Land, obwohl die Grenzposten nach 'afp‘-Beobachtungen in jüngster Zeit auf albanischer Seite erheblich verstärkt wurden. Wegen der Situation im Nachbarland hat die Regierung in Athen bereits am Montag vergangener Woche rund 20 Leopard-Panzer im Grenzgebiet stationiert. Über die nur 30 Kilometer breite Meerenge von Otranto kommen die Albaner inzwischen zu Tausenden nach Süditalien. Allein in der Nacht zum Mittwoch landeten zwei Boote mit insgesamt 650 Menschen in Brindisi, nachdem tags zuvor über 800 in der Hafenstadt Monopoli bei Bari eingetroffen waren.
Die Regierung Albaniens will sich nach eignen Angaben um eine „organisierte wirtschaftliche Emigration“ bemühen. Wer im Ausland arbeiten wolle, soll von einer Sonderstelle registriert werden. Nach einer Erklärung der albanischen Nachrichtenagentur 'ata‘ sei in den von Flüchtlingen überfüllten Häfen ein „Ausnahmezustand“ entstanden, Nahrungsmittel und andere Güter könnten nicht mehr entladen werden.
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