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Urbanes Leben zwischen Stickoxyd und Dauerlärm

■ Zum Amtsjubliäum: Viertelbürgermeister Heck legt umfangreiche Bestandsaufnahme über Leben in der City vor

Angelika Pensky (SPD), Beiratssprecherin für die Östliche Vorstadt, kam mit einem Strauß Blumen, Ulrike Schreiber (CDU), Sprecherin für den Beiratsbereich Mitte, mit einem herzlichen „Danke schön.“ Gemeint war der grüne Ortsamtsleiter für beide Bereiche, Hucky Heck, der heute seit drei Jahren als Viertelbürgermeister im Amt ist. Zum Jubiläum präsentierte Heck gestern eine Neuheit. Als erstes Bremer Ortsamt hat sich der Beirat Mitte/ Östliche Vorstadt eine „Bereichsentwicklungsplanung“ (BEP) gegeben. In dem 55-seitigen Papier wird detailliert geschildert und mit vielen Zahlen belegt, unter welchen strukturellen Mängeln die Stadtteile leiden.

Heck, Pensky und Schreiber beklagten, daß die Senatsressorts immer wieder einzelne Projekte betreiben, ohne die konkreten Folgewirkungen für den Stadtteil und die dort lebenden Menschen zu bedenken. Heck: „Einzelne Planungsvorhaben beinhalten die Gesamtschau nicht.“ Für die Beiräte sei es dann im Einzelfall „unglaublich schwer“, solche Projekte noch zu verändern. Mit dem BEP möchte Heck die Planungsabläufe vom Kopf auf die Füsse stellen. Die dort gemachten Vorgaben sollen von den Deputationen verabschiedet und so zu Leitlinien für die Stadtpolitik werden.

Für das Planungspapier hat das Ortsamt Mitte fünf Monate lang bei allen erdenklichen Stellen statistisches Material zusammengetragen und dabei eine denkwürdige Erfahrung gemacht. In verschiedenen Bremer Behörden liegen zum selben Sachverhalt sehr verschiedene Zahlen vor. So unterscheiden sich die Flächendaten, die vom Senat genannt werden, so stark von denen, mit denen das Planungsamt arbeitet, daß Heck den Eindruck gewann, zwei verschiedene Städte vor sich zu haben.

Für den Ortsamtsbereich belegen die nun zusammengestellten Zahlen in vielen Bereichen eine Belastung, wie sie in der Summe kein anderer Bremer Stadtteil zu verkraften hat. Auf einer Fläche, die nur zwei Prozent der Gesamtfläche Bremens ausmacht, leben 8,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Hinzu kommen werktäglich 60.000 Personen, die in der Stadtmitte arbeiten, jährlich je eine Million Besucher der Theater und der Kinos, 14-tägig Heerscharen von Fußballfans und jährlich 415.000 Menschen, die in den Hotels in der Innenstadt übernachten.

Im Stadtteil Mitte sind mehr als ein Drittel der Fläche für den Verkehr reserviert. Nur 7,9 Prozent der Fäche (Wallanlage) sind für Grün reserviert. Die Innenstadt ist zu 77.9 Prozent versiegelt, Ostertor und Steintor in Teilbereichen wie dem Fesenfeld gar zu 98 Prozent.

Wo sich soviele Menschen auf einem Raum ballen, müssen die Auswirkungen des Autoverkehrs besonders negative Folgen haben. So wurden auf der Kreuzung Schwachhauser Heerstraße / Bismarckstraße zwischen 6.00 Uhr und 19.00 Uhr 56.628 Autos gezählt. Ähnliche Werte gibt es für die Kreuzung Herdentorsteinweg/Breitenweg. Die Folge: Am Hauptbahnhof wurden die Langzeitimmisionswerte der TA-Luft überschritten, obwohl diese Werte vier Meter über dem Boden gemessen wurden. Und auf Straßen wie dem Steintor entspricht der Lärm mit 75 Dezibel dem einer Bundesautobahn. Ein besonderer Dorn sind für Heck die in der Innenstadt teilweise immer noch kostenfrei parkenden Autos. Heck: „Es gibt für niemanden das Recht mit seinem Auto in der Innenstadt 'rumzustehen.“

Daß die Probleme und die Zahlen dazu nicht neu sind, weiß auch Heck. „Im Grunde weiß es jeder, aber in den Köpfen der Planer zahlt sich das nicht aus.“ Seinen Kollegen in den anderen Ortsämtern gab Heck den Tip, ebenfalls eine Bereichsplanung vorzulegen.

Im Sommer soll Teil zwei des Werks folgen. Dann soll aufgeschlüsselt werden, welche Maßnahmen sich aus der Bestandsaufnahme ableiten. hbk

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