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Gegen Verschweigen der Stasi-Geschichte

Das „Bürgerkomitee 15. Januar“ zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit will Druck machen/ Derzeitige Regelung verhindert Auswertung des Aktenmaterials/ „Gestörtes Verhältnis“ zu Jochen Gauck und Protest gegen die Entlassungen  ■ Von Klaus Wolschner

Berlin (taz) — Das „Bürgerkomitee 15. Januar“, das als „Verein zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit“ die Arbeit des Bürgerkomitees zur Auflösung des MfS/AfNS fortführen will, hat sich gestern in Berlin zu Wort gemeldet. Anlaß war das Schweigen des Sonderbeauftragten zur Interpretation des Berichtes der Behörde zum Fall de Maizière. Die Vorwürfe über Verschleppung und Vertuschung von Informationen aus den Stasi-Akten gehen allerdings sehr viel weiter. Das Bürgerkomitee sieht sich dabei nicht in der Rolle einer privaten Kriminalpolizei, die per Indiskretion Beweise liefert, es will öffentliche Fragen formulieren.

Nur ein Bundestagsausschuß, so unterstrich auch der von der Gauck- Behörde fristlos entlassene Historiker Dr. Wolle, könne die Mitarbeiter der Aktenbehörde von ihrer Schweigepflicht entbinden, die Berichte der Behörde über Czerni/de Maizière erarbeitet haben. Die Kennzeichnung von Czerni als „Spitzen-IM“ steht offenbar in den Stasi-Akten selbst. Daß de Maizière kein Geld bekommen habe, sondern nur Geschenke wie einen Blumenstrauß zum Geburtstag, war für hochrangige IMs normal, unterstrich Dr. Wolle. Daß der IM sich nicht zu Hause an seine Schreibmaschine setzte, sondern der Führungsoffizier nach den konspirativen Treffen selbst die Berichte schrieb, entsprach den Regeln der Konspiration.

Aus den Akten, unterstrich Wolle, gehe eindeutig hervor, daß es nicht die Rolle des IMB Czerni war, die üblichen Spitzelberichte über Personen zu liefern— „dafür hatten die genug andere“. IMB Czerni sollte die Brandenburgische und die Bundessynode der evangelischen Kirchen in der DDR beeinflussen (vgl. auch Seite 4). In den Planungen der Staatssicherheit, Bezirk Berlin, für 1988, so bestätigte Brinksmeier, sei de Maizière eine „zentrale Figur“ gewesen.

Die Vorwürfe der Vertreter des Bürgerkomitees beziehen sich aber nicht nur auf Czerni/de Maizière. Insgesamt, so Brinksmeier, sei das Verhältnis zu dem Behördenleiter Gauck „gestört“. Bei den Einstellungen der Behörde würden formalrechtliche Kriterien des bundesdeutschen Beamtengesetzes angelegt. In der DDR konnte man solche Qualifikationen erwerben, indem man an der Juristischen Hochschule der Staatssicherheit eine Diplomarbeit über die Führung von IMs schrieb. Wie soll ein oppositioneller DDR- Bürger die formalen Qualifikationen erworben haben, wenn ihm aus politischen Gründen der Zugang zum Studium verwehrt war?

Als Leiterin des Archivs des MfS in Frankfurt/Oder amtiert zum Beispiel eine Frau S. Reuter, gaben die Vertreter des Bürgerkomitees ein anderes Beispiel. Sie hat formale Qualifikation und Berufserfahrung als Leiterin des SED-Archivs erworben und steht auf der Liste der „Offiziere im besonderen Einsatz“ (OibE) der Stasi mit 13.800 Mark Zusatzsalär.

Unzufrieden sind die Bürgerkomitees auch mit der Aufarbeitung von Straftaten früherer MfS-Mitarbeiter. Es gab im MfS eine interne Kartei mit diesen Straftaten, soweit sie der Spitzelbehörde selbst bekannt geworden sind. Kein Staatsanwalt hat sich bisher diese Unterlagen angesehen. Das Bürgerkomitee hofft, so Brinksmeier, daß der Behördenleiter Jochen Gauck auf das derzeit in Bonn erarbeitete Gesetz über den Umgang mit den Akten so einwirken werde, „daß wir ihn wiedererkennen“.

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