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Telekom erlaubt private Telefonleitungen auf Zeit

Wegen des ostdeutschen Fernsprechnotstandes wird bis Ende '97 die kommerzielle Sprachübertragung mit industrie-eigenen Netzen freigegeben  ■ Aus Hannover Frank Holzkamp

Ein anstrengender Messetag auf der Cebit '91, der größten Computershow der Welt, ging schon seinem wohlverdienten Ende entgegen, als Bundespostminister Schwarz-Schilling am Mittwoch abend die Katze aus dem Sack ließ. Gestützt auf die Koalitionsvereinbarungen, landete er seinen Coup, eine „tiefgreifende, weitgehende Liberalisierung“: Zur Linderung des Telefonnotstandes in der Ex-DDR dürfen künftig Fernsprecheinrichtungen auch privat betrieben werden. Via Satellit werden die Verbindungen laufen, zeitlich befristet sein soll das Busineß bis zum 1.1.98.

Bis dahin sollen die Telekom-eigenen Anstrengungen flächendeckend greifen. Der erste kommerzielle Telefonbetreiber, Mannesmann mit seinem digitalen Mobilfunk D-2, soll im Sommer an den Start gehen, mußte aber das Netz noch von der Telekom mieten. Die Neuen mieten nur die Satellitenleitung; die ostdeutschen Installationen gehen auf ihre eigene Rechnung.

Der zusätzlichen Aufweichung des früher nahezu heiligen Monopols der Post auf Netz und Sprachübertragung war eine Attacke von Bundeswirtschaftsminister Möllemann (FDP) am Vortag vorausgegangen. Zur Eröffnung hatte er die weitere Deregulierung des Telekommunikationsmarktes gefordert — die Beamtenpost soll nach dem Willen des liberalen Ministers noch ein Stück mehr privatisiert werden. Dafür will Möllemann nötigenfalls auch das Grundgesetz angehen, das die Sicherstellung der telekommunikativen Grundversorgung in die Hände des Bundes legt.

Eine Einmischung in sein Ressort verbat sich Schwarz-Schilling jedoch ausdrücklich. Schließlich nimmt er es für sich selbst in Anspruch, das Staatsunternehmen Post durch die Strukturreform zu Beginn des letzten Jahres überhaupt erst in das kalte Wasser des Wettbewerbs geschubst zu haben. Da war allerdings noch nicht abzusehen, welche Riesenanforderungen die veralteten Ost-Netze an die seit dem 3. Oktober verantwortliche Telekom stellen würden. Zumindest auf dem Papier wird denn auch geklotzt: Bis Ende 1997 sollen Investitionen von 55 Milliarden Mark aus dem Notstandsgebiet ein infrastrukturelles Musterländle machen. Die Telefonanschlüsse sollen sich auf 9 Millionen mehren, die Zahl der Telefaxgeräte sich von 5.000 auf 360.000 erhöhen.

Dazu kommen Mobilfunk, Daten- und btx-Anschlüsse. Allein in diesem Jahr will die Telekom 500.000 neue Telefone in der Ex-DDR installieren und für 31.000 neue Leitungen zwischen West und Ost sorgen. „Viel zu wenig“, rechnete allerdings Wilhelm Hübner vom Verband der Postbenutzer auf einer Veranstaltung des Fachblattes 'Funkschau‘ vor. So seien alleine zwischen zwei Städten wie München und Nürnberg 4.000 Telefonverbindungen geschaltet.

Hübner steht nicht allein. Immer häufiger werden Vorwürfe laut, die Telekom sei mit den Problemen im Osten überfordert, sie sei zu langsam, zu bürokratisch und klebe zu sehr an liebgewonnenen Verwaltungsvorschriften. Die Forderungen: mehr Improvisation und die stärkere Einbindung von Industrie und Handwerk. Auch solle man die Angebote ausländischer Investoren verstärkt berücksichtigen — alles Anliegen, die weder bei der Telekom noch bei der alteingesessenen deutschen Fernmeldeindustrie große Begeisterung auslösen. Wohl auch, um sich von dem Verdacht reinzuwaschen, daß man um den Preis, Bremser des vielbeschworenen Aufschwungs zu sein, auf den eigenen Pfründen hockt, rückte das Bundespostministerium nun die Satellitenfrequenzen heraus.

Angelehnt an den Telekomdienst „Diva“ (Direkte Verbindung über Ausnahmehauptanschlüsse), der über den Kopernikus-Satelliten abgewickelt wird, können Kanäle zur Sprachübertragung kommerziell angemietet werden. Via Satellitenschüssel gehen die Gespräche in den Orbit und werden auf der Westseite in das öffentliche Fernsprechnetz eingespeist. Von dort aus sind sämtliche Telefonanschlüsse weltweit erreichbar — ein wesentlicher Unterschied zu „Diva“, das nur Verbindungen mit bestimmten Teilnehmern, etwa einer Konzernleitung, erlaubt.

Exklusiv war „Diva“ bislang auch bei den Kosten, pro Kanal waren an monatlichen Gebühren von über 5.000 Mark fällig, hinzu kommen noch die Einheiten. Aber auch beim Preis schwenkt die Telekom offenbar auf einen breiteren Kundenkreis um. Nur wenige Stunden vor der Ankündigung von Schwarz-Schilling hatte Telekom-Vorständler Helmut Ricke auf dem „Funkschau“-Forum die Halbierung der monatlichen Gebühren für „Diva“ in Aussicht gestellt. Das Sonderangebot hatte sich auf der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz des Postministers augenscheinlich noch nicht herumgesprochen. „Da sieht man mal, was alles in Bewegung geraten ist“, bemerkte ein erstaunter Ministeralbeamter am Rande. Man rechnet „mit einer Flut von Anträgen“. Kein Wunder — pro Satellitenkanal können 60 Telefonanschlüsse geschaltet werden, im Vollausbau sogar 120.

Ausdrücklich können die Verbindungen an Dritte weitervermietet werden, und das dürfte sich rechnen. So steht in Cottbus dann möglicherweise demnächst das Telefon für das private Satellitennetz als Alternative zum ewig besetzten Postapparat bereit — der direkte Westanschluß dürfte trotz höherer Gebühren ein guter Grund zum Umsteigen sein.

Minister Schwarz-Schilling ist mit sich und seiner Telekom trotz aller Anfeindungen zufrieden, seinen Amtskollegen im Wirtschaftsministerium mahnt er zur Ruhe. Man könne eine „Feuerwehr, die gerade dabei ist, einen Brand zu löschen, nicht mit der Diskussion belasten, ob das eine freiwillige oder eine berufsständische Feuerwehr sein soll“.

Rückendeckung bekam der Postminister auf dem 'Funkschau‘-Forum vom Vize-Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Tyll Necker. Gegen Möllemann sagte er, die erreichte Dreiteilung der Post in Telekom, Postdienst und Bankdienst sei ein Kompromiß zwischen allen beteiligten Kreisen, der jetzt nicht in Frage gestellt werden dürfe. Er lobte die Post gar ein bißchen: „Der Elefant kommt langsam ins Traben.“ Zugleich warnte Necker davor, die Telekom, durch die zusätzlichen zwei Milliarden Mark an Einheitsabgabe jährlich schwer belastet, zur „cash cow der Nation“ zu machen. Und eine privatisierte Kuh ließe sich ohnehin nicht melken. Nach soviel Freundlichkeiten schob Necker allerdings nach, daß für den Fall eines anhaltenden Telekommunikationsnotstandes die Privatisierung sehr wohl wieder auf die Tagesordnung gesetzt würde.

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