: „Gewissensentscheidung“ übersteht Mißtrauen
■ Tornado-Überstunden: Airbus-Betriebsrat genießt „volles Vertrauen“ und entschudigt sich
Der Betriebsrat der Deutschen Airbus hat die Tornado-Stürme überstanden. Trotz der 1393 Unterschriften, die gegen ihn gesammelt wurden, bleibt die Belegschaftsvertretung der früheren MBB-Filiale weiter im Amt. Das wurde gestern auf einer Betriebsratsversammlung mit 16 zu 7 Stimmen beschlossen. In der Begründung heißt es, der Betriebsrat genieße „in Sachfragen“ weiterhin „das volle Vertrauen der Belegschaft“. Im Gegenzug spricht der Betriebsrat davon, daß das Vertrauen durch die unzureichende Information an die Belegschaft stark belastet worden sei.
Noch vor einigen Tagen sah es nicht danach aus. Weil sich der Vorsitzende Uwe Neuhaus und Betriebsratsmitglied Harm Ehmke in der taz und einer darauf folgenden Monitorsendung im Februar öffentlich gegen „Mehrarbeit für die Transall und Tornado zwecks Rüstungboykott“ aussprachen, hatten fast 40 Prozent der Belegschaft einen Mißtrauensantrag unterschrieben.
Die wenigsten verstanden die Motive der Betriebsräte. Mit dem „Aufruf zum Rüstungsboykott“ wollten Neumann und Ehmke „ein Zeichen gegen Rüstungsexport“ setzen, denn beide Militärflugzeuge spielten im Golfkrieg eine wichtige Rolle: Saudische und britische Piloten nahmen mit „Tornados“ an der Flächenbombardierung des Iraks teil. Die Bundeswehr benutzte unterdessen „Transall“-Maschinen für Transporte von Kriegsmaterial zum Türkei-Stützpunkt Erhac.
Doch darüber hatten die wenigsten in der Belegschaft nachgedacht. Sie fürchteten um ihre Arbeitsplätze. Ludwig Ladewig, ehemaliger BR-Vorsitzender, der bei der letzten Betriebsratswahl unterlag, ergriff die Gelegenheit und leierte eine Unterschriftensammlung gegen seine Kontrahenten an. Zusammen mit den UnterzeichnerInnen forderte er den sofortigen Rücktritt des alten BR. Begründung: Die Mehrheit des Betriebsrates hat ihre eigenen politischen Ziele in den Vordergrund gestellt und setzt bewußt vorhandene und zukünftige Arbeitsplätze auf's Spiel.
Unterstützt wurde er in seinen Aktivitäten durch die Geschäftsleitung. Die hatte flächendeckend einen offenen Brief verklebt, in dem sie dem Betriebsrat vorwarf „zukünftige Aufträge nicht nur im militärischen, sondern auch in den zivilen Programmen“ zu gefährden. Darauf hatten viele Kollegen spontan mit einer Unterschrift reagiert. Doch die Stimmung in der Belegschaft, so Neuhaus, habe sich inzwischen verändert. Auf der Betriebsversammlung am Donnerstag, bei der 1.500 Beschäftigte erschienen waren, hätten viele ihre Meinung noch einmal überdacht. „Zum Beispiel haben wir lang und breit über die Frage diskutiert, ob es solche Gewissensentscheidungen auch in einem Rüstungsbetrieb geben sollte“, sagt Neuhaus. „Auch Leute, die nicht unsere Position teilten, waren dafür.“
Viele hätten außerdem gemerkt, daß sie von Ludwig Ladewig aus eigenen Interessen mißbraucht worden sind, meint Uwe Neuhaus weiter. „Vor kurzem hat er nämlich noch Unterschriften gegen den Jäger 90 gesammelt und jetzt plötzlich für Überstunden um Tornados zu bauen.“
Birgit Ziegenhagen
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