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Daimler: Der Motor aller Schlachten?

■ Spekulationen über illegale Rüstungsexporte in den Irak/ Nach anonymer Anzeige Managerbüros in Stuttgart und Wörth durchsucht/ Konzern: Es war nur ein geplatztes Saudi-Arabien-Geschäft

Stuttgart (dpa/ap/taz) — Militärisch verwendbare Mercedes-Benz- Lkw sollen noch bis kurz vor Beginn des Krieges in den Irak geliefert worden sein. Von einer anonymen Anzeige ausgelöst, aber auch durch behördlichen Erkenntnisse verursacht, sind deswegen am Donnerstag die Büros und Privaträume von zehn Daimler-Managern in der Stuttgarter Hauptverwaltung sowie in den Mercedes-Werken Untertürkheim und Wörth durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts, daß „für einen militärischen Verwendungszweck“ besonders konstruierte Fahrzeuge unerlaubt in den Nahen Osten exportiert wurden, und wegen des Verdachts der Untreue zum Schaden von Daimler-Benz und seiner Fahrzeug-Tochter Mercedes- Benz.

Konzernsprecher Matthias Kleinert erklärte hingegen am Freitag vor der Presse, die Beschuldigungen bezögen sich auf ein Saudi-Arabien- Geschäft. Der Oberkommandierende der saudischen Armee habe im Dezember letzten Jahres einen Auftrag für Militär-Lkw an Daimler vergeben wollen. Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium, so Kleinert, „sehr zur Vorsicht“ geraten habe, sei Daimler von weiteren Verhandlungen zurückgetreten. Die letzte Lieferung von Lastwagen an den Irak ist laut Kleinert vom Konzern am 17. Juli vorigen Jahres abgewickelt worden. Da aber die Wagen den Irak nicht vor Beginn des Boykotts erreicht hätten, seien sie nach Deutschland zurückgeführt worden.

Doch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gehen in eine andere Richtung. Die 'Stuttgarter Nachrichten‘ und die 'Stuttgarter Zeitung‘ berichteten am Freitag, die anonyme Anzeige gegen die Daimler-Manager, unter denen sich auch der Vorstandsvorsitzende von Mercedes, Werner Niefer, befindet, habe „sehr konkrete“ Vorwürfe enthalten. Die Lieferungen sollen bis kurz vor Beginn des Golfkriegs Mitte Januar erfolgt sein. Unbestätigten Informationen zufolge sollen die Fahrzeuge über Brasilien in den Irak geliefert worden sein. Es habe sich um mehr als zehn, aber weit unter 100 Lastwagen gehandelt. Gegen die Manager werde wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittelt. Außerdem werde geprüft, ob Einkünfte aus den illegalen Transporten unversteuert in die Taschen der führenden Konzernmitarbeiter geflossen seien.

Gegen Mercedes-Chef Niefer wird Kleinert zufolge nicht wegen des Untreue-Vorwurfs ermittelt. Gegen ihn läuft bereits ein Verfahren wegen des Verdachts auf Hinterziehung von Einkommens- und Vermögenssteuer. Darüber hinaus wird gegen ihn wegen eines Unfalls ermittelt, bei dem er am Steuer eines Reisebusses im Mai 1990 in Rom eine Touristin aus Stuttgart angefahren hatte.

Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte in Bonn, für die Genehmigungsbehörden sei noch nicht klar, ob der Export der Daimler-Fahrzeuge genehmigungspflichtig gewesen sei. Das Bundesaufsichtsamt für Wirtschaft in Eschborn sprach hingegen von genehmigungspflichtigen Tiefladeanhängern und Sattelaufliegern. Allerdings werde noch ein Gutachten erarbeitet.

Unterdessen stellte Daimler-Benz am Freitag eine Initiative des Konzerns zur Schaffung einer einheitlichen Export-Kontrolle in der EG vor. Das Unternehmen betonte, diese Initiative sei unabhängig von den jetzigen Durchsuchungsvorgängen beschlossen worden.

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