: »Nun also, mein Peter, wohin geht die Reise?«
■ Hertha BSC verliert im Olympiastadion gegen den 1. FC Kaiserslautern 0:2 und wartet nun schon 147 Tage auf ein Heimtor
Berlin. Da verstehe einer das Seelenleben von Fußballspielern. Speziell derer von Hertha BSC. Zwei Drittel der Saison laufen sie mental geknickt über den Rasen, und jetzt, wo es eh keinen Sinn mehr macht, werden die Beine wieder ein wenig schneller. Genutzt hat das alles nichts, mit 0:2 gegen Kaiserslautern ging auch das zweite Heimspiel der Rückrunde gründlich verloren. Der neue Trainer Peter Neururer hat also sein bisheriges Glück auf der Trainerbank auch vorerst verloren.
Immerhin aber hatten Mannschaft und Trainer so etwas wie Wiedergutmachung versprochen. Denn seit genau dem 20. Oktober des letzten Jahres haben die Herthaner zu Hause im Olympiastadion kein Tor mehr erzielt. Damals war es der fast schon legendäre Siegtreffer gegen Frankfurt. Torschütze Kruse ist längst verscherbelt. Welch böses Schicksal, schon nach zwei Minuten verdaddelte Winkhold den Ball, der kam zu Hotic, und dessen Schuß fälschte Scheinhardt so ungewöhnlich ab, daß er im klassischen Bogenlampenstil über Junghans hinweg ins Tor eierte — für Neururer gleich zum Einstand seiner Erstliga-Karriere ein »innerer Niederschlag«.
Doch erstaunlicherweise spielten die Herthaner plötzlich wieder ihren aus alten Zweitliga-Zeiten bekannten Hurra-Fußball, mit viel Einsatz und gutem Willen, nur ziemlich wirkungslos. Hier zeigte sich deutlich, daß es den Berlinern an entscheidendem spielerischem Vermögen fehlt, die für die erste Liga nötig sind. Jedenfalls konnten es sich die Lauterer relativ bequem machen. Ihnen genügte frühes Stören und das Warten auf Konterchancen, ansonsten spielten sie fleißig ihren Torwart-Bodybuilder Gerry »Tarzan« Ehrmann an. Ob er Theo Gries solchen Respekt machte, daß er einfach das Tor nicht treffen wollte? Gut, einen Freistoß daneben zu hauen kann passieren, aber zweimal konnte der gute Theo völlig frei köpfen, o weh! Die 15.634 BesucherInnen konnten es kaum fassen. So viele Torchancen für die Hertha gab's lange nicht, das klägliche Vergeben derselben kam den meisten ziemlich bekannt vor.
Zum zweiten Spielabschnitt mußte Peter Neururer den Eindruck haben, von gemeinen Mächten ziemlich verarscht zu werden. Kürzlich erst genesen, mußte Uwe Rahn in der Kabine bleiben. Ihm soll ein Lauterer auf die Hand getreten sein, worauf sie sofort brach. Nun sind wieder fünf Herthaner krank, denn auch Libero Dirk Greiser, ebenfalls erst neulich gesund geworden, verknackste sich schon beim Training den Fuß. So war die Berliner Reservebank fast verwaist.
Die ganze Hertha stürmte, nur Halvorsen ward manchmal noch diesseits der Mittellinie gesehen. Aber trotz zunehmend besserer Spielkultur brachten sie es nicht fertig, auch nur ein popeliges Tor zu schießen. Möglichkeiten gab's genug, beim 1. FCK erschreckte dies aber nur Trainer Kalli Feldkamp, dessen Gesichtsfarbe immer bedrohlichere Rötungen annahm. Derweil taten seine Spieler, als könnten sie im Mittelfeld Kunststückchen vorführen, spielten immer schlampiger und vertrauten auf die berüchtigte Abschlußschwäche der Herthaner.
Aber dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein. Sie haben sich solche Mühe gegeben, die armen Jungs von Hertha BSC, nur sind sie wirklich zu trottelig für die erste Liga. Nur ihr Optimismus wird immer ungeheuerlicher. Wollen sie uns glatt weismachen, es sei zu schaffen, aus den letzten vierzehn Spielen die notwendigen achtzehn Punkte zu holen. Bloß, wer soll das schaffen? Schmiernik
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