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Ein Think-tank für die grüne Frauenpolitik

Feministische Positionen haben bei den Grünen gewaltig an Gewicht verloren/ Unabhängiger „Frauen-Ratschlag“ soll für frischen Wind sorgen/ Mehr Augenmerk auf Frauen in neuen Bundesländern und auf Bewertung von Arbeit gefordert  ■ Aus Bonn Susanne Grüter

„Wir wollen endlich raus aus der Selbstlähmung und der unfruchtbaren Diskussion innerhalb der Partei.“ Elke Kiltz vom Bundesvorstand der Grünen brachte das Anliegen auf den Punkt, warum sie und andere grüne Mitstreiterinnen am Samstag zum „Frauen-Ratschlag“ ins Bonner Haus Wittgenstein geladen hatten. Endlich einmal sollte grüne Frauenpolitik nicht im eigenen Saft gedreht und gewendet, sondern von Expertinnen von außen kritisch betrachtet und bewertet werden. Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, Gewerkschafterinnen, Feministinnen und Vetreterinnen von Demokratie Jetzt sorgten für frischen Wind und halfen bei der Aufarbeitung „grüner Altlasten“. Die Runde war sich einig: Grüne Frauenpolitik ist längst nicht mehr das, was sie einst war. Sie hat an Gewicht innerhalb der Partei verloren. Beispiel Hessen: „Fischer kriegt alles“, meinte eine Teilnehmerin, „bei den Frauen wird mit der SPD geteilt.“ Daß sich die Grüne Iris Blaul mit dem klassischen Ressort Jugend, Familie und Gesundheit habe abspeisen lassen müssen, empfand der „Frauen-Ratschlag“ als Rückschritt. Diese Entscheidung werfe kein gutes Licht auf die Position der grünen Frauen.

Deren Schwäche hat aber auch zu tun mit der fehlenden Solidarität untereinander. Die grünen Frauen seien nicht nur in Realos und Fundis gespalten, sondern hätten in der Diskussion um das Müttermanifest unnütz Kräfte vergeudet. Damals, 1987, bekämpften Feministinnen die Anhängerinnen der neuen Mütterlichkeit, weil sie mit der Aufwertung der Kindererziehung das Festklopfen alter Rollenklischees befürchteten.

„Der Streit um den wahren Feminismus hat zu einer Starrheit geführt. Er muß durch mehr Offenheit und Kreativität abgelöst werden“, sagte Helga Braun, Vertreterin von den Autonomen Frauenprojekten aus Hamburg. Überhaupt, so stellten die Kritikerinnen fest, habe die Ideologisierung innerhalb der Partei dazu geführt, daß die Nähe zur Basis flöten gegangen sei. Dabei sei doch der offene Dialog mit der autonomen Frauenbewegung stets das gewesen, was die Grünen mit ihrem alternativen Anspruch so attraktiv gemacht habe.

Das soll jetzt anders werden. So sieht es auch die grüne Vorstandsfrau Elke Kiltz: „Es ist Zeit zur Selbstbesinnung. Wir müssen über unsere Strukturen neu nachdenken.“ Da kam die Idee aus der „Ratschlag- Runde“ gerade recht: Ein gemeinsamer Frauenkongreß soll her, auf dem endlich die Probleme der Frauen aus den ostdeutschen Bundesländern debattiert werden müßten. In der Tat hat unter der Arbeitslosigkeit und dem Abbau sozialer Leistungen niemand so stark zu leiden wie die Frauen. Schon jetzt ist klar, daß eine Erwerbstätigkeitsquote bei Frauen von beinahe 90 Prozent, wie in alten DDR-Zeiten üblich, in der BRD nicht erreicht werden kann. Dorit Fischer von Demokratie Jetzt aus Ost- Berlin sagte: „Nicht alles in der früheren DDR war schlecht. Für die Frauen bei uns ist ein Beruf selbstverständlich, warum sollten wir in Zukunft darüber anders denken?“ Auf einem zukünftigen Frauenkongreß müsse daher auch überlegt werden, „ob nicht die guten Bedingungen, die in der DDR herrschten, auch in einem nichtautoritären System zu schaffen sind.“ Der Frauenkongreß solle die Sozialpolitik für Frauen in den Vordergrund stellen.

Die feministische Wissenschaftlerin Carola Möller sagte: „Frauen müssen in Zukunft ihre Existenz eigenständig sichern können. Und zwar aus Erwerbs- und Nichterwerbstätigkeit. Wir müssen zu einer Neubewertung von Arbeit kommen.“ Wenn auch Hausarbeit bezahlt würde, gebe es auch mehr Anreize für Männer, am Herd zu stehen. Auf dem Kongreß müsse die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern unbedingt thematisiert werden.

Der „Frauen-Ratschlag“ mahnte die grünen Frauen, öffentlich Stellung zum Paragraphen 218 zu beziehen. Die Teilnehmerinnen plädierten für ein Frauenvotum. Die Idee ist zwar nicht neu, ließ sich aber bei den Grünen bisher nicht durchsetzen. Das Frauenvotum sei gut für die öffentliche Debatte, die man nicht Kohl und seiner Frauenriege kampflos überlassen dürfe. Man müsse offensiv vertreten, daß die Entscheidungen über Abtreibungsmodalitäten in Frauen- und nicht in Männerhände gehöre — darum Frauenabstimmung über die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218.

Die grünen Frauen wollen auf jeden Fall den „Frauen-Ratschlag“ auch in Zukunft wieder zusammenrufen. Er soll dann auch in der ehemaligen DDR stattfinden. Elke Kiltz meinte zufrieden: „Den Grünen tut das gut. Wir brauchen so einen Think-tank.“

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