: Die Rolle des Bausenats im Müllskandal
■ Nach dem Giftmüllskandal im Westhafen erhärtet sich der Verdacht, daß der Bausenat gegen mehrere Gesetze verstoßen hat/ Umweltsenat ist trotzdem gegenüber Bauverwaltung »solidarisch«
Moabit. Wenn es in der Senatsbauverwaltung um die Entsorgung von Sondermüll geht, gilt offenbar die Devise: legal, illegal, scheißegel. Diesen Eindruck hinterläßt der jüngste Müllskandal im Westhafen. Letzte Woche entdeckte die Polizei dort auf ungesichertem Gelände über 100 Sondermüllcontainer der Bauverwaltung — aus 25 Containern tropften wässrige Flüssigkeiten und versickerten zwischen Pflastersteinen im Erdreich (die taz berichtete). Welche Gifte die Flüssigkeiten enthalten, läßt die Staatsanwaltschaft derzeit untersuchen.
Das Sondermülldepot auf Kopfsteinpflaster sei »ordnungsgemäß genehmigt« worden, behauptet der Staatssekretär der Bauverwaltung, Hans Görner, gegenüber der taz. Immer mehr erhärtet sich aber der Verdacht, daß Nagels Verwaltung gegen mehrere Gesetze verstoßen hat. Zwischen Umwelt- und Bauverwaltung tobt deshalb auch ein Streit — der soll allerdings nicht nach außen dringen. Man wolle solidarisch bleiben, erklärte gestern Patricia Werner von der Umweltverwaltung.
Verwunderlich ist, daß sich die Senatsbauverwaltung bei der Berliner Hafen- und Lagerhaus Gesellschaft zwei Flächen für Sondermüll anmietete und sie sich danach als entsprechende Giftdepots genehmigen konnte. Nach Auffassung des Staatssekretärs der ehemaligen Umweltsenatorin Schreyer, Klaus Groth, sei die Bauverwaltung für Sondermüll nicht zuständig — könne deshalb gar keine Abstellflächen für Giftmüll genehmigen. Die Bauverwaltung sei lediglich für ungefährlichen Bauschutt zuständig. Doch die 100 Container enthalten Rückstände aus Bodenwaschanlagen, die Kohlenwasserstoff-, Blausäure- und ölverseuchte Altböden gereinigt hatten.
Und selbst wenn Bausenator Nagel zuständig wäre, hätten die beiden Flächen im Westhafen vermutlich nicht genehmigt werden dürfen. Staatssekretär Görner argumentiert zwar, daß das Bundesabfallgesetz »ausnahmsweise« die Lagerung von Sondermüll erlaube, wenn Belange der Öffentlichkeit (zum Beispiel die Gefährdung der Gesundheit) nicht berührt werden. Doch nach dieser Interpretation könnte man an jeder beliebigen Straßenecke Giftmüll abstellen, solange der gefährliche Abfall einigermaßen gut verpackt ist. Ex-Staatssekretär Groth kontert deshalb auch, daß der entsprechende Paragraph IV einen ganz anderen Sinn habe. Weil die Genehmigungsverfahren für Sondermüll-Depots äußerst viel Zeit in Anspruch nehmen würden, solle dieser Paragraph die Nutzung von speziell präparierten Flächen ermöglichen, wenn sie noch nicht genehmigt sind. Ein Beispiel dafür sei das Zwischenlager der BSR in der Flottenstraße in Reinickendorf: Dort dürfe mit Hilfe der Ausnahmeregelung Sondermüll gelagert werden, obwohl das Planfeststellungsverfahren lange nicht abgeschlossen sei. In der Flottenstraße steht Giftmüll gut gesichert in einer Halle auf grauem Kunstoffboden, unter dem eine Auffangwanne eingebaut ist. Bei Unfällen könnten Gifte weder ins Erdreich noch in der Kanalisation verschwinden, so Groth.
Ein Teil der Container, die die Polizei im Westhafen fand, stand vorher in der Flottenstraße. Allerdings — verbotenerweise — außerhalb der Halle. Das weiß auch Görner und erklärte, daß die Container doch gerade deshalb in den Westhafen gebracht worden seien. Auch am Westhafen ist die Fläche ungesichert — es gibt nur einen administrativen Unterschied: Hier hat sich die Bauverwaltung erlaubt, was wohl verboten ist. Dirk Wildt
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