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Tote Hose beim Leipziger Allerlei

■ Viele Aussteller bereuen Teilnahme an Leipziger Messe: „Eine schlappe Veranstaltung“

Leipzig (dpa/taz) — Im 826. Jahr ihres Bestehens droht der ältesten Messe der Welt in Leipzig der Abstieg. Schon der Taxifahrer wußte Bescheid: „Es ist wenig los auf der Messe.“ Bei der ersten Frühjahrsmesse nach der deutschen Vereinigung, die noch bis Freitag geöffnet sein wird, schlug die Stunde der Wahrheit. Die alte Funktion — Drehscheibe zwischen Ost und West — scheint endgültig verloren, eine neue noch nicht gefunden. Die Aussteller aus der Sowjetunion und den übrigen osteuropäischen Staaten blieben zum größten Teil fern. Im Vergleich zur Frühjahrsmesse 1990 sank die Beteiligung auf ein Drittel, und auch unter den 3.160 Ausstellern, die diesmal noch nach Leipzig kamen, gibt es etliche, die ihre Teilnahme bereits bereuen.

Die Frühjahrsmesse, sagt eine Vertreterin einer westlichen Maschinenbaufirma, sei bisher „eine sehr müde Veranstaltung“ gewesen. Die Herbstmesse werde ihre Firma nicht bestreiten, der nächste Frühjahrstermin sei noch offen. Am drastischsten formuliert es der Sprecher eines Elektromultis: „Tote Hose.“ Hoesch-Prokurist Jochem Oertmann findet die Besucherzahlen „sehr schlapp“.

Ein Kritikpunkt war in Leipzig fast überall zu hören: Die zeitliche Überschneidung mit der weltgrößten Computer-Fachmesse Cebit in Hannover. Geschäftsführer Michael Philip von der Chemnitzer Ascota AG nennt die Überschneidung „Wahnsinn“. Er hält den Anspruch, mit westdeutschen Messeplätzen gleichziehen zu wollen, gar für vermessen. Bleibe es beim „Leipziger Allerlei“, dann werde er wohl nicht mehr kommen. Ähnlich sieht man es auch bei Soemtron, einer Nachfolgerin des Robotron-Kombinats. Das Unternehmen, sagt Direktor Karl Stumpp, habe nicht die Kraft, die Cebit und Leipzig parallel zu bestreiten.

In Bonn scheint indes der Wille vorhanden zu sein, der „Heldenstadt“ aus ihrer schwierigen Lage zu helfen. Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) stellte Millionenhilfen in Aussicht. Und auch einzelne Firmenvertreter sehen das Spiel noch nicht völlig verloren. Für Hoesch-Prokurist Oertmann gibt es keine Alternative zu Leipzig, es zu einem hervorragenden Platz auszubauen. Wer es mit der Vereinigung ernst meine, der müsse die Stadt unterstützen. Sein Unternehmen, das zwar keine Sozialstation sei, fühle sich verantwortlich.

Es fällt auf, daß sich viele Großkonzerne für Leipzig stark machen. Siemens vergrößerte demonstrativ die Ausstellungsfläche von 400 auf 1.700 Quadratmeter. Firmensprecher Gustav Mayert verwies darauf, daß Siemens schon 1920 geholfen habe, den Messeplatz aufzubauen und ihm in den bitteren 50er und 60er Jahren die Treue gehalten hat. Der Sprecher des Computermultis IBM, Joachim Dickow, sagt, sein Bekenntnis zu Leipzig sei „grenzenlos“. Die Stadt werde es schaffen.

Einig sind sich Anhänger und Kritiker der Messestadt, daß Leipzig ganz erhebliche Anstrengungen unternehmen muß, um die gravierenden Mängel in der Infrastruktur auszugleichen. Es fehlt an allem: an guten Verkehrsverbindungen, Telefonen, angemessener Gastronomie, ausreichend Hotelbetten. Der Werbung um eine „menschliche Messe“ erweist das örtliche Hotelgewerbe indes einen Bärendienst. Mit maßlos überzogenen Preisen, denen meist keine entsprechende Leistung gegenübersteht, läßt es bei den Gästen das Gefühl aufkeimen, unter Raubritter gefallen zu sein.

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