Ein Dallas mitten im Museumsdorf

■ Im Berliner Tischtennis spielen in Zukunft zwei Vereine in der Zweiten Bundesliga Hertha 06 kauft Neuzugänge/ Der TTC Düppel steht zur bewährten Vereinspolitik

Berlin (taz) — »Wir haben den Klassenerhalt geschafft«, atmet Hermann Hammer, Vorsitzender des TTC Düppel, erleichtert durch. Vor Jahresfrist schwebte Berlins einziger Tischtennis-Zweitligist bis zum letzten Ballwechsel in akuter Abstiegsgefahr. Dennoch: Der scheinbar sichere Mittelfeldplatz der Süd- Berliner in dieser Spielzeit trügt. Für den TTC Düppel brechen — sportlich gesehen — schwere Zeiten an.

Denn mit Mirko Pawlowski, Vize-Europameister der Jugend (zum TTC Hannover), dem amtierenden Berliner Meister Frank Kasiske (zu Hertha 06 Berlin) sowie Dr. Purwita (er beendet seine Laufbahn) verlassen drei wichtige Stützen den Verein. Zwar hat Vereinschef Hammer bereits seine Fühler nach adäquaten Ersatzleuten ausgestreckt, doch der vergleichsweise dünne Saisonetat der Düppeler (rund 40.000 Mark pro Saison) läßt keine sensationellen Neuverpflichtungen zu. »Das paßt auch nicht in unser Konzept«, so Hermann Hammer, der stets stolz darauf war, die »beste Berliner Mannschaft« in Düppel konzentriert zu haben. Alle sechs Zweitliga-Aktiven lebten auch in der Stadt, was man von manchen Klassenkontrahenten beileibe nicht sagen kann. Dort müssen mitunter Schlägerschwinger extra zu Heimspielen eingeflogen werden.

Bis zu dieser Saison hielt sich der TTC Düppel mit seiner preiswerten, weil heimatverbundenen Personalpolitik als einziger Vertreter Berlins mit Müh und Not in der zweithöchsten deutschen Tischtennis-Liga. In aller Ruhe wurden Talente gründlich ausgebildet und an höheren Aufgaben herangeführt. Ab der Saison 1991/92 jedoch belebt der Lokalrivale Hertha 06 die Zelluloidbranche von der Spree. »Wir wollen in die Zweite Bundesliga«, hatte der Unternehmensberater Thomas Friese, in Personalunion Manager der Charlottenburger, vor Jahren sein Team auf den steilen Weg nach oben geschickt. Von der Kreisklasse bis zur Zweiten Liga ist den Mannen aus der Nehringstraße ohne Unterbrechung der Durchmarsch gelungen. Allein in 1989/90, als man sich in der Oberliga Nord nur knapp gegen Protesia Hamburg durchsetzen konnte, soll Friese angeblich über 100.000 Mark (!) in die erste Mannschaft investiert haben. Bekannte Namen wie der irische Nationalspieler Colum Slevin (heute mit Lübeck in der Bundesliga) oder der Vizeweltmeister von 1969, Bernt Jansen (Tennis Borussia), wechselten an die Nehringstraße, der »Southfolk-Ranch« der hiesigen Top-Spinner. Um auch zukünftig eine führende Rolle im Konzert der Tischtennis spielenden Zweitligisten zu spielen, meldete Thomas Friese bereits vor Wochen die aufsehenserregenden Zugänge eines dänischen Nationalspielers sowie des Düppelers bisherigen Lokalrivalen Frank Kasiske.

»Dieses Geld hätte Hertha 06 auch in die Nachwuchsarbeit investieren können«, faucht Hammer als Anhänger des beschaulichen Museumserfolgs Düppel in Richtung Nehringstraße. Er mißtraut dem schnellen Erfolg des »Charlottenburger Fußball-Clubs« Hertha 06. Um nicht tatenlos zusehen zu müssen, wie »Hertha auch nächstes Jahr sicherlich unter den ersten vier, fünf Teams der Zweiten Bundesliga mitspielen wird« (Hammer), sondiert der TTC-Chef den Spielermarkt. Namen nennt er (noch) nicht, gibt allerdings zu, am oftmaligen DDR-Meister Andreas Mühlfeldt von Energie Turbine Köpenick interessiert zu sein. »Wir wollen auch nichts kaputt machen bei den Köpenickern, die sich ja selbst noch Chancen ausrechnen, in die Zweite Bundesliga zu gelangen.«

Gelingt den Ost-Berlinern der Sprung aber nicht, dürfte Mühlfeldt einer von drei Neu-Düppelern sein. »Aber dies ist zur Zeit noch Zukunftsmusik«, lehnt Hammer weitere Spekulationen um seinen Club ab. Auch angesichts der schier übermächtigen Herausforderung durch den neuen Ortsrivalen Hertha 06 will das langjährige Berliner Aushängeschild in Sachen Tischtennis nichts übers Knie brechen. »Natürlich wird es uns schwerfallen, die Abgänge von Pawlowski, Kasiske und Purwita zu kompensieren. Aber wir bemühen uns um talentierte Neizugänge, wie wir es immer getan haben. Auch auf die Gefahr hin, daß wir in die Regionalliga absteigen sollten.« Jürgen Schulz